Corona und die Folgen: Der Graben durch das Dorf
Im grünen Baselbieter Dorf Oltingen kam es während der Pandemie zu Zerwürfnissen. Wie sieht es heute aus? Welche Wunden sind geblieben, welche verheilt?
Ganz weit hinten im Kanton Baselland, verborgen in den ländlich-idyllischen Hügeln des Oberbaselbieter Jura, liegt ein Dorf, das Oltingen heisst. In Oltingen gibt es sehr viele Wähler:innen der Grünen, was es zu einem besonderen Dorf macht. Denn rundherum gehört das Land der SVP. Doch nicht davon soll diese Geschichte handeln, sondern davon, dass aus dem Dorf mit seinen 500 Einwohner:innen während der Coronapandemie zwei Dörfer wurden: eines, das davon überzeugt war, es brauche die Massnahmen, um sich und andere vor der Krankheit zu schützen, und eines, das davon nichts wissen wollte.
Einige Brüche sind zusammengewachsen, seitdem das Ende der Pandemie ausgerufen wurde. Manche Kränkungen blieben. Und Oltingen hat seither zwei Schulen statt einer.
Vollprogramm an der frischen Luft
«Kennst du diesen ‹Asterix›-Band, wo ein grosser Graben durch das gallische Dorf geht? So war es während der Pandemie bei uns. Wie im Comic sind manche Leute aneinander vorbeigegangen, ohne sich anzusehen. Ohne anzusprechen, was sie beschäftigt.» Das erzählt Markus Stocker, Beizer vom «Ochsen» und ein guter Sensor für die Lage in Oltingen.
Stocker, der nur «Stocky» genannt werden will, ist eine ziemliche Nummer in der Gastroszene. In Basel vor allem, doch seit ein paar Jahren wirtet er auch im «Ochsen» in Oltingen. Er hat mit Kowirtin Mirjam Hildbrand aus der Dorfbeiz einen Kulturort gemacht mit Lesungen, Konzerten, Kabarett und Zirkus. Während der Pandemie, als rundherum alles zuging, organisierte der «Ochsen» ein kulturelles Vollprogramm an der frischen Luft. Kleine Fluchten für Städter:innen und für all jene, die zu Hause verkümmerten.
Aber Corona überstieg auch die Kraft des «Ochsen». Stocky erzählt die Geschichte der beiden Thommys, die vor der Pandemie immer an einem Tisch in der Beiz sassen und alles rauf und runter diskutierten. Bis das Virus kam und sie feststellten, dass sie jeweils ganz anderer Ansicht waren, wie damit zu verfahren sei.
Was war denn bei euch los, Stocky? Er wägt seine Worte ab, will nicht, dass ein falsches Licht auf Oltingen fällt. Er sagt, es sei doch wie überall gewesen: «Es gab massnahmenkritische Leute, es gab massnahmenhörige Leute, es gab Schwurbler:innen, die sich stark in Richtung QAnon bewegten. Es gab ganz viele Leute, die die Massnahmen mitgetragen haben, murrend oder mit Überzeugung. Und es gab solche, die ganz grosse Transparente aufgehängt haben. Ich glaube, deshalb hatten Auswärtige oft das Gefühl, das Dorf stecke voller Coronaleugner:innen – was aber gar nicht zutraf.»
«Määrt isch Määrt, seit dr Metzger»
Wer mit den Transparenten gemeint ist, wissen in Oltingen alle. Es ist einer der beiden Thommys: Thomas Burri, fünfzig Jahre alt und schon immer in Oltingen wohnhaft. Vor der Abstimmung zum Covid-19-Gesetz Ende November 2021 hängte Burri ein grosses Transparent an sein Garagentor. Darauf abgebildet ein riesiger Finger, der auf die Betrachter:innen zeigt: «Impfzwang für alle? Covid-Verschärfung extrem und unnötig!»
Die Abstimmung damals im letzten Pandemieherbst war ein Kristallisationspunkt für viele, die mit der Coronapolitik des Bundes nicht einverstanden waren. Kernpunkt der Gesetzesänderung war die Festschreibung der stark umstrittenen Zertifikatspflicht. Die Stimmbeteiligung: sehr hohe 65 Prozent. In Oltingen lag sie sogar bei über 80 Prozent. Doch in Oltingen wie in der gesamten Schweiz überwog die Zustimmung zur Vorlage.
Burri liess das Transparent nach dem Abstimmungstag noch lange hängen. Auch wenn es Leute gab, die ihre Nase rümpften. Vor dem weit über die Region hinaus bekannten jährlich stattfindenden «Oltiger Määrt» im Mai 2022 suchte ihn der Dorfmetzger auf, eine Autorität in der Gemeinde. Er legte ihm dar, was sich die Leute hinter seinem Rücken erzählten: Befürchtet wurde ein Imageschaden für Oltingen, sollte das Transparent während des Marktes zu sehen sein. Burri gab nach, so halb jedenfalls. Er drehte das Transparent um und schrieb auf die Rückseite: «Määrt isch Määrt, seit dr Metzger». Als der Markt vorbei war, malten Nachbarskinder zwei Sonnen auf die Blache, und Burri überschrieb prophylaktisch den Text: «… vertrauen? Ich kann es auch wieder umdrehen :-)»
Dabei war ihm das Sujet des Plakats eigentlich zu aggressiv: «Es war schon sehr SVP-mässig. Aber die vom Referendumskomitee hatten kein anderes Motiv», sagt er beim Gespräch im «Ochsen». Doch warum liess er es so lange hängen, auch als die allermeisten Schutzmassnahmen schon aufgehoben waren? «Weil ich der Meinung war, dass jetzt nicht plötzlich alles vorbei ist. Das ging mir zu schnell. Ich fand, dass es eine Aufarbeitung braucht.»
Thomas Burri ist selbstständiger Anlagenplaner, unter anderem für die Pharmaindustrie. Während des ersten Lockdowns hatte er plötzlich keine Arbeit mehr – und viel Zeit, sich über das Virus zu informieren: «Ich fiel zwischen Stuhl und Bank. Hatte von hundert auf null nichts mehr zu tun und kein Einkommen mehr. Doch für mich war klar: Corona ist ähnlich wie eine Grippe, die Massnahmen dauern drei Monate, dann geht das Leben normal weiter.» Doch nach drei Monaten war nichts wieder normal. Irgendwann beantragte Burri beim Kanton Härtefallgelder, da gab es schon keine mehr. Er habe die Frist verpasst, beschied man ihm.
Burri hatte während der Pandemie keine einfache Zeit im Dorf. Er sagt, er habe zu spüren bekommen, dass er sich nicht in das einreihte, was er den «Mainstream» nennt. «Jeder kennt doch jeden, alle wissen, wer wie tickt.» Burri besorgte sich ein ärztliches Attest, um keine Maske tragen zu müssen. «Ich hatte Mühe, genügend Sauerstoff zu bekommen», setzt er ein wenig hastig hinzu, als hätte ihn jemand beschuldigt. Er fragte im Dorfladen, ob er ohne Maske hineindürfe. Doch jene Kund:innen, die eine Maske trugen, beschwerten sich. Dann hiess es: entweder er oder sie. Burri unterlag.
«Ich wurde in eine Ecke gedrängt, wurde als Verschwörungstheoretiker abgestempelt», klagt er. Sein Vertrauen in die Institutionen, in die Gesellschaft sei bis heute angeknackst. Aber ein bisschen nur, nicht so felsenfest wie bei den Leuten, die sich bis heute im Widerstand wähnen. Burri versuchte, aus der Ecke rauszukommen, sagt, er sei auf jene zugegangen, die ihn nicht hätten verstehen können. Meistens erfolglos. Er warb um Verständnis – aber geht das: um Verständnis bitten, ohne selber Verständnis zu zeigen?
Der Zusammenhalt schafft auch Enge
Am 1. August 2022 hielt Florence Brenzikofer, Nationalrätin der Grünen, eine Ansprache in Oltingen. Wenn vom grünen Dorf die Rede ist, von dem so viele Medien schon schrieben, dann muss im gleichen Atemzug Florence Brenzikofer genannt werden. Das grüne Wunder, es ist auch dem Umstand geschuldet, dass Brenzikofer seit vielen Jahren mit ihrer Familie im Dorf wohnt. Am Nationalfeiertag trat sie vor ihre Gemeinde und blickte zurück: «Die Erfahrungen der Pandemiejahre haben uns verändert. Es gab auch in Oltingen Streit um die Frage, was der richtige Umgang mit dieser Situation ist.» Die Pandemie hatte in ihrem Dorf für Zerwürfnisse gesorgt, so nahm sie das damals wahr.
Wir treffen uns in der Plauderecke des Dorfladens, in einer Art Hinterzimmer des kleinen Geschäfts, das durch wirtschaftlich angespannte Zeiten schlingert. Aber es war schon schlimmer. Damals gründeten sie im Dorf eine Genossenschaft, um den Laden aufzufangen. In Oltingen wissen sie, wie schnell es gehen kann, bis das Dorfleben abstirbt. Im Umland gibt es Gemeinden, wo es nichts mehr gibt: keine Beiz, keinen Laden, keine Gemeinschaft.
Doch der Zusammenhalt schafft auch Enge. «In Oltingen kann man sich nicht verstecken», sagt Brenzikofer. Einmal wollte sie mit ihrer Familie im Winter ins Bündnerland in die Ferien fahren. Dann bat die Bündner Regierung öffentlich darum, von solchen Reisen abzusehen, damit es nicht zu neuen Covid-Hotspots komme. Brenzikofer blieb schliesslich zu Hause, doch ihre Reisepläne hatten schon die Runde gemacht. «Da habe ich gemerkt: Alle wissen genau, wer was macht. In so einem kleinen Dorf gibt es keine Anonymität. Wer sitzt wie oft mit wem im Garten? Sind sie zu fünft oder schon zu sechst? Wer geht heimlich mit zu vielen Freund:innen in den Wald? Da wurde auch denunziert, und das fand ich sehr unschön.»
Vor allem im oberen Dorfteil, wo viele Familien aus einem eher grünen, alternativen Milieu wohnen, gab es zum Teil heftigen Zwist zwischen Gegner:innen und Befürworter:innen der Massnahmen.
Brenzikofer gelang es, Verständnis für beide Seiten aufzubringen – und den Streit nicht in ihre Welt hineinzulassen. Ihre Familie teilt sich ein Haus mit einer anderen Familie. Die Kinder konnten gemeinsam spielen, die Eltern im Garten sitzen und sich über die weniger werdenden Kondensstreifen der Flugzeuge am Himmel freuen. Eine Schicksalsgemeinschaft für die Zeit, als alle auf sich selber zurückgeworfen wurden. Sie liessen einander den Raum für eine eigene Sicht auf die Seuche, für eigene Ängste. Es gab in ihrem unmittelbaren Umfeld Geimpfte und Ungeimpfte. «Wir konnten unsere Konflikte direkt austragen und Lösungen finden», versichert Brenzikofer.
Eklat in der Schule
In ihrer Partei sieht das schon anders aus. Die grüne Hoffnungsträgerin Laura Grazioli, eine junge Biobäuerin aus dem Oberbaselbiet, trat nach einer öffentlichen Kontroverse aus der Grünen Partei aus, sie hatte sich für die Souveränitätsinitiative von «Mass-voll!» eingesetzt. Grazioli ist seither Kolumnistin beim Lokalmedium «Prime News», die Pandemie scheint sie nie hinter sich gelassen zu haben. Sie beklagt die fehlende Aufarbeitung der Coronazeit. «Andererseits führte das grosse Vergessen dazu, dass Personen wie ich zumindest halbwegs rehabilitiert wurden», schreibt Grazioli in ihrer Kolumne. Das ist selbstmitleidig, aber es steckt auch eine Wahrheit drin: Wenn alle so tun, als wär nichts gewesen, dann war auch nichts.
Aber natürlich war da so einiges. Florence Brenzikofer sagt, der Druck, der während der Pandemie auf ihr gelastet habe, sei gross gewesen. Gewerbler:innen kamen mit existenziellen Sorgen. Und in der Sekundarschule, in der sie noch immer unterrichtet, hätten die Kinder von ihr verlangt, die Abstandsregeln oder das Fünf-Personen-Limit abzuschaffen. «Die Kritik kam wuchtig und sehr direkt», sagt sie. Sie habe die Rolle der Vermittlerin eingenommen, denn dass die unterschiedlichen Sichtweisen hätten aufeinanderprallen können, sei wichtig gewesen: «Wenn man den Konflikten ausweicht, bleiben Verletzungen zurück.»
Dafür braucht es aber auch Räume, an denen sich die Konfrontation entfalten kann. Orte wie Stockys «Ochsen», den Dorfladen oder die Obere Mühle mit ihren Diskussionsabenden – noch ein Kulturort im kleinen Oltingen. Und es braucht Gelegenheiten wie den zweitägigen «Oltiger Määrt», der jeweils Abertausende Besucher:innen anlockt und der alle im Dorf zur Zusammenarbeit zwingt, egal wie sie zur Maske stehen. Der «Määrt» brachte eine erste Heilung fürs grüne Idyll.
Doch vielleicht am wichtigsten, damit es wieder gut läuft: Es braucht gute Seelen wie den parteilosen Gemeindepräsidenten Stefan Eschbach, genannt «Äschbi», die dafür sorgen, dass nicht alles auseinanderfällt und sich der Graben nicht verfestigt. Eschbach erzählt, er sei abends oft von Garten zu Garten gezogen, um das Gespräch zu suchen – «Feuerschalendiplomatie», damit sich alle gesehen fühlen.
Und doch kam es zum Eklat. Rund neunzig Kinder hatte die von den Gemeinden Oltingen und Wenslingen gemeinsam betriebene öffentliche Primarschule vor Corona. Fünfzehn Kinder gehen heute auf andere Schulen. Ein Teil nimmt jeden Tag den weiten Weg zur 25 Kilometer entfernten Rudolf-Steiner-Schule Mayenfels in Pratteln auf sich, ein Teil geht auf eine neu gegründete Privatschule.
Der Konflikt drehte sich um die Maskenpflicht, um Abstandsregeln und um die obligatorischen Spucktests. Die Lehrpersonen, so die übereinstimmende Erzählung, versuchten mit aller Macht, eine Spaltung abzuwenden und den Konflikt, den die Eltern austrugen, von den Kindern fernzuhalten. Die maskenlosen Kinder sassen eine Weile einfach mit gehörigem Abstand von den anderen entfernt. Doch nach der Auswertung der Spucktests schlug der Kanton Alarm: zu viele Covid-Fälle an der Schule. Deshalb ordneten die Behörden ihre Schliessung an. Auch jene Kinder, die sich immer an die Vorgaben gehalten hatten, mussten zu Hause beschult werden. Das gab neuen Ärger im Dorf – und wieder mal Schlagzeilen in den Medien.
Hoffnung auf Annäherung
Schliesslich erlaubte der Kreisschulrat jenen Familien, die sich weiterhin gegen die Schutzmassnahmen wehrten, ein verlängertes Homeschooling. Ein Kompromiss, nicht regelgerecht, aber friedensstiftend.
Anruf bei Benedict Dackweiler, Präsident des Trägervereins der neuen Privatschule: Warum ist es so weit gekommen? Dackweiler sagt, er habe sich vor allem an der Maskenpflicht gestört, weil er Schäden an der Psyche der Kinder befürchtet habe. Das Homeschooling war ein willkommener Ausweg – und die neue Schule im Grunde die Fortschreibung davon. Damals engagierten mehrere Familien eine Lehrerin, die ihre Kinder zu Hause unterrichtete. Dieser Unterricht habe sie überzeugt. Die Lehrerin und ihre pädagogischen Konzepte stehen im Zentrum der neuen Schule. Die Inhalte vermittle sie nicht über Druck, sondern entlang der Interessen der Kinder. Es gibt mehr Lektionen draussen, mehr Zeit für Kreatives. Das klingt ganz vernünftig. Kürzlich erhielt die Schule die unbefristete Betriebsbewilligung des Kantons. Doch die Kosten für die Familien sind beträchtlich, 900 Franken pro Monat und Kind, nur schon, um den Betriebsaufwand zu decken. Profit macht die Schule nicht.
Dackweiler (39) hat drei Kinder. Er ist selbstständiger Grafiker und arbeitet in der Kommunikationsabteilung der Basler Kunsthochschule. Politisch, sagt er, habe er sich vor der Pandemie links verortet. Dann hätten Linke Leute wie ihn «Querdenker» genannt und in die rechte Ecke gestellt. «Heute bin ich politisch heimatlos.» Vor acht Jahren zogen er und seine Familie nach Oltingen, wo seine Frau aufgewachsen ist. «Oltingen ist der einzige Ort in Baselland, an dem ich leben will», sagt er. Weil man sich gegenseitig die Freiheiten zugestehe, so zu leben, wie man wolle. Und weil es eine lebendige Dorfgemeinschaft gebe, mit gemeinsamen Initiativen und einer intakten Gesprächskultur, innerhalb derer Konflikte ausgehandelt werden könnten.
Aber beschädigt die Privatschule nicht gerade diese Gemeinschaft? «Ich habe manchmal schon ein schlechtes Gewissen, weil wir unsere Kinder ein Stück weit aus dem Dorfkontext rausgenommen haben», sagt Dackweiler. Er hofft, dass sich die beiden Schulen annähern. «Damit die anderen Kinder auch von uns profitieren können.» Fast wäre es zu einer ersten Berührung gekommen. Letzten Herbst sollten beide Schulen den «Räbeliechtli»-Umzug gemeinsam bestreiten. Dann intervenierte die Gemeinde Wenslingen. Die Trennung, sie schmerzt noch.
Andrea Brenna ist im Oltinger Gemeinderat für das Schulwesen zuständig. Die Abgänge in der Schule bedeuten für die Gemeinde weniger Kantonsbeiträge an die Primarschule. Wir treffen Brenna, die ihr ganzes Leben in Oltingen verbracht hat, im «Ochsen», und Stocky sagt, Oltingen könne froh sein, dass sie den Job mache. Brenna hat sich gerade breitschlagen lassen, noch eine Amtszeit anzuhängen. Trotz des Stresses mit der Schule in der Pandemie. «Es gab eindeutig zwei Seiten», erinnert sie sich. «Ich hatte Verständnis für beide Seiten, auch für die, die das mit der Maske nicht mittragen wollten. Meine eigenen Kinder hatten keine Probleme damit, die haben das mitgetragen.» Brenna führte viele Gespräche in der Zeit, versuchte, Lösungen zu finden – ganz schön viel Arbeit für ein Ehrenamt. Doch den Bruch konnte sie nicht verhindern.
Die Erregung stieg, je länger die Massnahmen andauerten. Eltern verschärften den Ton, erklärten Brenna, was der Bund vorschreibe, habe keine wissenschaftliche Gültigkeit. Schimpften, der Gesundheitsminister Alain Berset habe von der Materie keine Ahnung. Kamen mit Aussagen eines Arztes, der die Gefährlichkeit des Virus negierte. Einmal erhielt Brenna Post aus den USA mit Informationen zur angeblichen Schädlichkeit von Masken. «Das ging zu weit!», sagt sie bestimmt. «Wir sind eine Schule, die dem Kanton Basel-Landschaft unterstellt ist.»
Brenna glaubt nicht, dass es die Situation an der Oltinger Schule war, die zum Eklat geführt hat, sondern ein Misstrauen gegenüber dem Schweizer Schulsystem generell. «Ich glaube, dass sie sich etwas anderes für ihre Kinder gewünscht haben und dass das schon vorher in ihnen geschlummert hat.»
Eine Gemeinschaft hält nur so lange, wie man sich über die gemeinsamen Werte einig ist – auch in Oltingen. Doch wo ist das schon anders? Vermutlich hat der «Ochsen»-Wirt Stocky schon recht, wenn er dem, was in Oltingen passiert ist, eine Allgemeingültigkeit zuschreibt. Andernorts blieb der Konflikt bloss weniger sichtbar, unausgesprochen und unverhandelt.
«Wir haben während Corona so viele prägende Dinge gesehen», sagt Brenna. «Egoismus, aber auch Solidarität in der Gesellschaft. Die vielen Toten. Berufliche Existenzen, die kaputtgingen. Die Besinnung auf die Familie. Den Himmel ohne Kondensstreifen.» Sie habe gedacht, das alles setze doch irgendeinen Denkprozess in Gang. «Aber von einem Tag auf den nächsten war alles vorbei.»