Pop: Heller als die Sonne

Nr. 34 –

Albumcover «Season Indicators» von Evelinn Trouble
Evelinn Trouble: «Season Indicators». Mouthwatering Records. 2024.

Wer kennt es noch, das B-Seiten-Album? Als jede Single noch zwei Seiten hatte, gabs die B-Seiten später gesammelt auf einem separaten Album, als Bonusmaterial für die ganz treuen Fans. Nur tönte das meist auch so: nach Resteverwertung, grad recht für Durststrecken. Aber es gab immer Ausnahmen, und zu diesen zählt jetzt auch Evelinn Trouble.

Nach ihrem überragenden Konzeptalbum «Arrowhead» (2015) schien die Zürcherin etwas ins Leere zu laufen. Mit dem Minialbum «Hope Music» (2018) machte sie einen verheissungsvollen Ausfallschritt in Richtung Trap – und dann war sie auf dem Album «Longing Fever» (2021) doch wieder auf der Suche, wie verloren zwischen so vielen Stilen, so vielen Möglichkeiten ihrer selbst.

«So many ways to lose ground», singt sie jetzt auf dem Album, mit dem sie aufräumt, um Altlasten loszuwerden, wie sie sagt. «Season Indicators» versammelt zwölf Songs aus den letzten zehn Jahren, die einen neueren Datums, andere irgendwann mal halbfertig auf irgendeiner Festplatte liegen geblieben. Bei manchen merkt man schon auch, wieso. Da gibts solche, die eine griffigere Produktion verdient hätten, bei anderen ist es wie mit dem Feuer, von dem Trouble in «Started a Fire» singt: sehr catchy, nur weiss der Song dann nicht recht, wohin mit sich. Aber selbst in einer schwächeren Nummer wie «A Name» wartet noch ein Whitney-Houston-Moment. Einmal singt Dino Brandão mit, Faber gastiert als «Self-Pity Man», und zwei umwerfende Retronummern sind auch dabei: eine verstaubte, kurze Jazzballade zum Klimakollaps und dann «Jamais», ein orchestraler Gassenhauer auf Französisch, geschrieben für den Film «De noche los gatos son pardos»: ein Chanson wie ein Triumphbogen.

Andere würden für solches Restmaterial töten. Fast jeder Song hier birgt ein Versprechen, auch wenn nicht jedes eingelöst wird. Grandios aber: «Needy Woman», eine Abrechnung mit Typen, denen Frauen mit eigenen Bedürfnissen nicht geheuer sind. Ein ganzes Lied in Lauerstellung, aber mittendrin: alle Lichter an, heller als die Sonne!