Film: Lebensraum gegen Milchschaum

Nr. 35 –

Filmstill aus «Brunaupark»: Kinder im Lift
«Brunaupark». Regie: Felix Hergert und Dominik Zietlow. Schweiz 2024. Jetzt im Kino.

Viel Orange und überall Beton, Balkone zum Tratschen, Treppenhäuser zum Taggen und darunter eine fürstliche Tiefgarage. Die Kids ziehen um die Häuser, die Erwachsenen treffen sich im Hof oder in «Ciccio’s Pizzeria». Im Zürcher Brunaupark scheint sich mit der Architektur auch der Gemeinschaftsgeist der 1980er erhalten zu haben. Doch der Grossteil der Siedlung soll abgerissen werden. «Ein Zimmer weniger und 1000 Franken mehr» pro Wohnung und Monat verspricht sich die Pensionskasse der Credit Suisse vom Neubau. 239 von 405 Mietparteien wurde gekündigt, der Pizzatreff weicht einem Latte-Art-Café, und neuerdings fährt die Securitas in ihren Smarts vor. Viele Bewohner:innen wissen nicht, wohin, und wollen auch nicht weg. Sie halten nicht viel von Milchschaumkunst und fremdeln mit den jungen «Room Estate»-Expats, die sich wochen- und zimmerweise in die profitverdichteten frei gewordenen Wohnungen einmieten. «Ich sag nur: asozial», meint ein jugendlicher Bewohner in Richtung CS-Verwaltungsgebäude.

Die Fronten sind klar verteilt in «Brunaupark», dem ersten längeren Dokumentarfilm von Felix Hergert und Dominik Zietlow: hier die eingeschworene, heterogene, schlagfertige Siedlungsgemeinschaft, da die blassen Baristas und verlorenen Finanznomaden, denen angesichts der «äh, Menschlichkeit» ihrer temporären Nachbarschaft die Worte fehlen.

Hergert und Zietlow bemühen sich erst gar nicht um Ausgewogenheit. Ihr «Brunaupark», Siegerfilm des Schweizer Wettbewerbs bei den diesjährigen Visions du Réel in Nyon, ist eine klare Stellungnahme – rhetorisch brillant montiert (Selin Dettwiler), mit Sinn für den prägenden Einfluss von Architektur auf unser (Zusammen-)Leben und nur wenig gewöhnungsbedürftigem Pathos (Abschieds- und Trauerarien). So erinnert uns dieser Film daran, was uns schäumen wird, sollten sich Gewinnmaximierung und übersteigerte Flexibilitäts- und Komfortansprüche im Städtebau flächendeckend durchsetzen: sozialer Zusammenhalt, ade.