Gefälschte Unterschriften: Stille Komplizen unter der Bundeshauskuppel
Weitergehen, hier gibts nichts zu sehen! Am Montag hat der «Tages-Anzeiger» berichtet, dass Firmen, die gegen Geld Unterschriften für Volksinitiativen sammeln, möglicherweise im grossen Stil betrogen haben. Bislang hat die Enthüllung im politischen Betrieb der Schweiz verdächtig wenig ausgelöst. Jedenfalls auf dessen rechter Seite. Was zum Schluss verleiten könnte, dass die demokratiepolitische Bedeutung der mutmasslichen illegalen Machenschaften gar nicht so gross ist. Auf das Ergebnis einer Volksabstimmung dürfte es tatsächlich kaum Einfluss haben, auf welche Weise eine Initiative zustande gekommen ist.
Aber das ist zu kurz gedacht. Das zeigt etwa die Debatte rund um den Neubau von AKWs – der eigentlich nicht erlaubt ist. Schub verlieh dieser die sogenannte Blackout-Initiative des atomfreundlichen Energie-Clubs Schweiz. Wäre die Initiative nicht zustande gekommen, wäre dieses Manöver ausgeblieben (vgl. «Der doppelte Albert»).
Darum bleibt es wohl auch so still auf bürgerlicher Seite. Weil das System den rechten Parteien – und einigen Tierrechts- und Umweltorganisationen – jahrelang von grossem Nutzen war. Sie konnten mit Geld erkaufen, wozu ihnen die Basis fehlte. Und so erreichen, dass über ihr Anliegen nicht nur breit diskutiert, sondern sogar abgestimmt wird. Die Unstimmigkeiten sind ihnen in all diesen Jahren offenbar nie aufgefallen. Es waren die Verantwortlichen der «Service Citoyen»-Initiative, die die «Tages-Anzeiger»-Recherche angestossen haben.
Das System der kommerziellen Unterschriftensammlung gehört sofort gestoppt. Dass das nicht längst geschehen ist, obwohl der Bund gemäss den Recherchen seit Jahren über die Unstimmigkeiten Bescheid weiss, ist ein weiterer Skandal. Der Bundesrat wurde gemäss Bundeskanzlei bereits vor einem Jahr detailliert über die Vorkommnisse informiert – und hat nicht eingegriffen. Aber auch die Bundeskanzlei hätte mehr tun müssen. Sie hat zwar 2022 eine Strafanzeige eingereicht, aber Parlament und Öffentlichkeit nie ins Bild gesetzt. Es mögen einzelne Firmen gewesen sein, die den Betrug begangen haben. Doch stille Kompliz:innen gibt es viele.