US-Wahlkampf und Klima: Desaströse Inkonsequenz

Nr. 42 –

Trotz verheerender Hurrikans spielt das Klima im US-Wahlkampf kaum eine Rolle. Im Sinne der Bevölkerung ist das nicht.

Vizepräsidentin Kamala Harris besucht eine Hilfsaktion nach dem Hurrikan Helene im Bundesstaat Georgia
Die De­mo­krat:in­nen sind immerhin um Schadensbegrenzung bemüht: US-Vizepräsidentin Kamala Harris besucht nach dem Hurrikan Helene den Bundesstaat Georgia. Foto: Elizabeth Frantz, Reuters

Eine Wetterkatastrophe nach der anderen, das ist die neue Normalität in den USA. Ende September zog Hurrikan Helene durch den Südosten des Landes, tötete über 250 Menschen und liess überflutete Regionen zurück. Der Sachschaden beträgt schätzungsweise bis zu 175 Milliarden US-Dollar. Anfang Oktober dann traf Hurrikan Milton auf Florida, wo mindestens 23 Menschen ums Leben kamen und drei Millionen Haushalte von der Stromversorgung abgeschnitten wurden. Es war der dreizehnte tropische Wirbelsturm der diesjährigen Atlantischen Hurrikansaison.

Man sollte eigentlich davon ausgehen, dass die Erderhitzung, die sich in den vergangenen Wochen besonders zerstörerisch bemerkbar gemacht hat, in diesem Präsidentschaftswahlkampf eine zentrale Rolle spielt; dass alle politischen Debatten und Entscheidungen von dieser existenziellen Bedrohung mitbestimmt werden. Die Realität aber ist eine andere. Bis zu den zwei tödlichen Hurrikans war der Klimawandel quasi kein Thema im Wahlkampf. Und auch im Umgang mit den aktuellen Geschehnissen zeigt sich, wie weit entfernt die USA – historisch betrachtet der grösste Emissionenverursacher auf Erden – von einer Klimapolitik sind, die diesen Namen verdient.

Trumps Verschwörungserzählungen

Kein Zweifel: Die Unterschiede zwischen den beiden Parteien sind gross. Der demokratische Präsident Joe Biden verwies bei seinem Besuch der betroffenen Stadt Raleigh (North Carolina) darauf, dass Extremwetterereignisse mit steigenden Temperaturen zunehmen. «Niemand kann mehr die Auswirkungen der Klimakrise leugnen», so Biden. «Wer das tut, muss hirntot sein.» Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris cancelte ihre Termine in Pennsylvania, um im Bundesstaat Georgia Lebensmittel zu verteilen und mit Rettungskräften und Überlebenden zu sprechen. Die demokratischen Führungsfiguren haben die lokalen Behörden bei der Evakuierung unterstützt und finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau zugesichert.

Donald Trump hingegen bezeichnete den Klimawandel bei einer Veranstaltung wenige Tage nach Hurrikan Helene als ­«einen der grössten Schwindel». Mehrfach hat er seither die Lüge verbreitet, dass der Katastrophenschutzbehörde Fema Geld fehle, weil die Biden-Regierung dieses für Immigrant:innen ausgegeben habe. Auch Trumps Verbündeter Elon Musk streute die Verschwörungserzählung über seine Plattform X, wo ihm über 200 Millionen Accounts folgen. «Die Fema hat ihr Budget aufgebraucht, um Illegale ins Land zu bringen, anstatt amerikanische Leben zu retten», so Musk.

Erst vor wenigen Wochen stimmten hundert republikanische Kongressabgeordnete gegen zusätzliche Mittel für die Fema. Unterlassene Hilfeleistung als politisches Programm. Sollte Trump erneut ins Weisse Haus ziehen, wird er mit grösster Wahrscheinlichkeit dort weitermachen, wo er 2017 aufgehört hat: internationale Abkommen aufkündigen, die Wissenschaft bekämpfen, fossile Bohrungen intensivieren. «Drill, baby, drill», bis nichts mehr übrig ist.

Während die Republikaner:innen in der Manier eines Todeskults agieren, sind die Demokrat:innen immerhin um Schadensbegrenzung bemüht. Doch zeigt sich auf demokratischer Seite immer wieder eine fatale Halbherzigkeit, wenn es ums Klima geht. Die Ursachen der Erderhitzung werden nicht substanziell adressiert, versprochene Massnahmen selten vollständig umgesetzt. Die demokratischen Spitzenkräfte betonen zwar die Notwendigkeit eines Wandels Richtung erneuerbare Energien, vermeiden aber die Konfrontation mit der fossilen Industrie. Wie in so vielen anderen politischen Bereichen führt das zu einem schlechten Kompromiss.

Widersprüchliche Politik

Schon bei Barack Obama war die Diskrepanz zwischen Worten und Taten gigantisch. Im «Yes, we can»-Wahlkampf von 2008 träumte Obama davon, dass kommende Generationen auf diesen Moment zurückblicken und erkennen könnten, dass sich der «Anstieg der Ozeane verlangsamte und unser Planet zu heilen begann». Nach acht Jahren Präsidentschaft war von dieser Vision nichts mehr übrig. Der 44. Präsident prahlte am Ende sogar damit, dass die USA unter seiner Führung Russland als grössten Erdgasproduzenten und Saudi-Arabien als grössten Ölproduzenten abgelöst hatten. Obama brachte zwar das Pariser Klimaabkommen mit auf den Weg, konstatierte die Columbia University 2016 in einer Studie, zugleich aber habe seine Politik «den Planeten noch näher an die Klimakatastrophe» gebracht.

Auch Biden hat in den vergangenen vier Jahren eine extrem widersprüchliche Politik gefahren. Einerseits konnte er mit dem Inflation Reduction Act das grösste Klimapaket aller Zeiten durchsetzen: 369 Milliarden Dollar Investitionen sind darin für grüne Technologien vorgesehen. Andererseits genehmigte die Biden-Regierung allein in den ersten zwei Jahren 6430 neue Öl- und Gasbohrungen – mehr als jede Regierung zuvor. «All of the above» nennt sich die Strategie, bei der fossile und erneuerbare Energieträger in Balance gehalten werden. Auf Deutsch: von allem etwas. In Klimasprache: desaströse Inkonsequenz.

Harris hat im Wahlkampf deutlich gemacht, dass sie an diesem Kurs bei einem Wahlsieg nichts ändern wird. Von früheren Forderungen, etwa nach einem Green New Deal oder einem Frackingverbot, hat sie sich längst verabschiedet. In Interviews betont Harris, dass sie als Vizepräsidentin für mehr Gasfracking gesorgt habe. Bei ihrer Parteitagsrede in Chicago im August schenkte sie dem Klimawandel gerade mal einen Halbsatz. Über die wissenschaftlich bewiesenen Zusammenhänge von CO₂-Emissionen, Erderhitzung und Extremwetterereignissen spricht Harris kaum. Die Journalistin Kate Aronoff schrieb in ihrem 2021 veröffentlichten Buch «Overheated», dass es neben der «traditionellen Leugnung» eine neue Form gebe, bei der «nicht so sehr Fehlinformationen über die Realität der Krise verbreitet werden, sondern über das, was nötig ist, um sie einzudämmen». Genau das macht die demokratische Spitze.

Man könnte nun einwerfen, dass realpolitische Zwänge und Bevölkerungswille gar keine andere Klimapolitik zulassen. Doch das ist zum einen falsch, und zum anderen repräsentiert Politik schliesslich nicht nur Haltungen, sondern formt sie auch.

Bevölkerung will Massnahmen

Die US-Wähler:innen geben in Umfragen zwar andere Themen als den Klimawandel als ihre grösste Sorge an, primär werden Inflation, Immigration, Abtreibungsrechte und der Schutz der Demokratie genannt. Wenn man die Leute konkret zum Klimaschutz befragt, ergibt sich jedoch ein deutlicher Auftrag. Eine ausführliche Studie der Yale University kam Ende 2023 zum Ergebnis, dass 79 Prozent für den Ausbau erneuerbarer Energien sind. Rund zwei Drittel der Amerikaner:innen wollen, dass der US-Kongress mehr zur Bekämpfung der Erderhitzung tut. Auch in wichtigen Swing States wie Pennsylvania gibt es eine Mehrheit dafür. Wie das Ohio River Valley Institute herausfand, befürworten neun von zehn Wähler:innen in Pennsylvania eine stärkere Regulierung der Frackingindustrie.

Fast die Hälfte unterstützt ein explizites Verbot. Um weitere Wähler:innen vom notwendigen Ende dieser Industrie zu überzeugen, könnte die Demokratische Partei den betroffenen Arbeiter:innen eine Jobgarantie oder entsprechende Kompensationen anbieten. Das sind in Pennsylvania übrigens nicht mehr als 20 000 Menschen.

Von den Folgen des Klimadesasters hingegen sind alle betroffen, vor allem diejenigen mit wenig Geld. In den USA etwa sind die Schäden aus Hurrikans, Überflutungen und Waldbränden so dramatisch angestiegen, dass Versicherungsunternehmen ihre Prämien massiv erhöht haben oder inzwischen sogar ganze Bundesstaaten auslassen.