Trumps Wahl: Denn sie wissen, was sie tun
Bereits in der Nacht zum Mittwoch stand fest, dass Donald Trump mit North Carolina, Georgia und Pennsylvania kritische Swing States für sich entscheiden konnte. Der 78-Jährige erklärte sich kurz nach zwei Uhr Ortszeit vor seinen Anhänger:innen in Florida zum Sieger. Die demokratische Kandidatin Kamala Harris blieb in vielen Bundesstaaten und demografischen Gruppen dramatisch unter den Erwartungen. Mehr als die Hälfte aller hispanischen Männer etwa stimmten laut Nachwahlbefragungen für Trump. Die ländlichen Regionen und auch viele Vorstädte gingen ebenfalls deutlich an ihn. Bei weissen Arbeitern ist Trump schon seit Jahren vorne.
Die Republikanische Partei konnte zudem die Oberhand im Senat gewinnen und dürfte auch ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verteidigen. Das Land wird demnach ab Januar von einer faschistoiden Partei kontrolliert, die sich offen gegen demokratische Prinzipien stellt, Gewalt verherrlicht, den Klimawandel leugnet, Minderheiten dämonisiert, politische Gegner:innen kriminalisiert, Überreiche protegiert, Millionen Immigrant:innen abschieben sowie Sozialstandards und die öffentliche Gesundheitsversorgung abbauen will. Weil auch der Supreme Court von reaktionären Richter:innen bestimmt wird, werden Trump und sein Apparat in den kommenden vier Jahren enorm viel Wirkungsmacht haben. Die US-Rechte war lange nicht mehr so stark wie jetzt und weiss – anders als 2017, als Trump zum ersten Mal ins Weisse Haus einzog – genau, was sie will und wie sie es umsetzen kann.
Die Führungsschicht der Demokratischen Partei hat sich diese katastrophale Niederlage selbst zuzuschreiben. Erst hielt Joe Biden viel zu lange an seiner Kandidatur fest, obwohl jeder Auftritt seine Untauglichkeit und jede Umfrage seine Unbeliebtheit bestätigte. Dann übernahm mit Harris eine Kandidatin, die zwar jünger ist und energischer auftrat, der es aber an programmatischer und strategischer Substanz fehlte. Harris kündigte einen «neuen Weg nach vorne» an und versprach, dass «wir gewinnen, wenn wir kämpfen» – aber wohin der Weg führen und wofür genau gekämpft werden soll, das blieb unklar.
Statt eine überzeugende wirtschaftspolitische Agenda zu präsentieren, mit der sich die gestiegenen Lebenshaltungskosten und die ökonomische Ungleichheit bekämpfen lassen, und statt zumindest ein paar wenige visionäre Reformvorschläge einzubringen, mit denen der Unterschied zu Biden klar gemacht hätte werden können, war der Harris-Wahlkampf von Vibes dominiert und richtete sich gerade gegen Ende in erster Linie an konservative Wähler:innen, die mit Patriotismus mobilisiert werden sollten. Es war eine fatale Fehlkalkulation, wie sich jetzt herausgestellt hat. «Republicans for Harris» reicht als Basis nicht aus.
Noch beschämender: Die Impulse und die Forderungen der eigenen Basis wurden bei entscheidenden Themen einfach ignoriert. Die grosse Mehrheit der Wähler:innen spricht sich seit Monaten für ein Umlenken in der Nahostpolitik aus, verlangt einen Stopp der Waffenlieferungen nach Israel und eine klare Opposition zur rechtsradikalen Netanjahu-Regierung. Doch ausser Beschwichtigungen und leeren Versprechen kam von Biden und Harris nicht viel. In Michigan und anderen Bundesstaaten wendeten sich viele arabische und muslimische Amerikaner:innen von den Demokrat:innen ab, wählten entweder eine linke Kleinpartei, gar nicht oder sogar aus Frust Trump.
Trump bleibt also die Überfigur der US-amerikanischen Politik. Er hat sich in den letzten neun Jahren durch geschickte Demagogie eine fanatische Basis aufgebaut. Seine Botschaft: Ich bin anders als die anderen in Washington – und das stimmt in gewisser Weise auch. Niemand spricht so aus dem Bauch wie er, niemand bricht so spielerisch die Konventionen. Ein Urteil wegen sexueller Nötigung: egal. Noch ein rassistischer Skandal: egal. Der 100. kognitive Aussetzer: egal. Fox News, Elon Musk, Joe Rogan und viele andere rechte Kräfte waren auf seiner Seite. Kräfte des Establishments, die den Hass aufs Establishment instrumentalisieren. Trump profitierte zudem davon, dass viele Menschen mit ihm eine relativ gute Wirtschaftslage (2017–2020) verbinden, auch wenn diese kaum Produkt seiner Politik war. Im Gegenteil warnen seriöse Ökonom:innen vor seinem angekündigtenProtektionismus.
Schaut man in andere Länder, wo zuletzt ebenfalls zentristische Amtsinhaber abgestraft wurden und rechtsradikale Kräfte gewonnen haben, passt Trumps Sieg in die Zeit. Und trotzdem war und ist das alles nicht unvermeidlich. Die Demokratische Partei muss sich mit ihrem gewaltigen Anteil an Trumps Triumph auseinandersetzen, es braucht nun einen radikalen Neuanfang mit mutigem Programm und glaubwürdigen Führungskräften.
Die Linke sollte sich jedoch nicht darauf verlassen, dass die Demokratische Partei aufwacht. In den letzten Jahren haben sich eine neue Gewerkschafts- und eine neue Mieter:innenbewegung formiert, es sind vielerorts Netze zur gegenseitigen Hilfe entstanden: Genau daran gilt es anzuschliessen. Die Herausforderung für alle linken Kräfte wird darin liegen, Basisarbeit fortzuführen und gerade in den ersten Trump-Monaten antifaschistisch parat zu stehen.