Auf allen Kanälen: Ein russischer Agent
Der 2022 in Polen verhaftete baskische Journalist Pablo González arbeitete offenbar für den russischen Militärgeheimdienst.

Als es im August 2024 zwischen Russland und westlichen Staaten zu einem Gefangenenaustausch kam, stand auf der Wunschliste Moskaus auch ein Name, der in Spanien viele überraschte: der des Journalisten Pablo González.
Der 1982 als Pawel Rubzow in Moskau geborene Freelancer, der unter anderem für den Madrider Fernsehsender La Sexta gearbeitet hatte, war unmittelbar nach Russlands Invasion der Ukraine im Februar 2022 im polnischen Grenzgebiet verhaftet und der Spionage für den russischen Militärgeheimdienst GRU beschuldigt worden. Weil in Polen jedoch zweieinhalb Jahre lang keine Anklage erhoben wurde und sich die öffentlich gemachten Vorwürfe darauf konzentrierten, dass González spanische und russische Papiere besass, wurde den Anschuldigungen in Spanien eher wenig Glauben geschenkt (siehe WOZ Nr. 17/22).
Aus Pawel wurde Pablo
Tatsächlich gab es für die auf verschiedene Namen ausgestellten Dokumente eine einfache Erklärung: González’ Grossvater mütterlicherseits war einer jener 1500 Bask:innen, die als Kinder 1937 während des Spanischen Bürgerkriegs in die Sowjetunion evakuiert wurden. Zwei Generationen später kehrte ein Teil der Familie nach Bilbao zurück. Der damals neunjährige Pawel Rubzow wuchs mit seiner Mutter in Spanien auf, aus Pawel wurde Pablo.
Organisationen wie Reporter ohne Grenzen und Amnesty International kritisierten das polnische Vorgehen zudem auch wegen der Haftbedingungen: Neun Monate lang durfte der Verdächtige weder seinen Anwalt noch die Mutter seiner drei Kinder treffen; bis zum Schluss befand er sich in strenger Isolationshaft. Vor diesem Hintergrund war die Erleichterung über seine Freilassung im August 2024 im spanischen Baskenland gross.
Doch spätestens als González neben Agent:innen und Auftragsmördern in Moskau aus dem Flugzeug stieg, geriet das Narrativ vom linken Journalisten, der allzu kritisch über die Ukraine berichtet hatte, ins Wanken. González wurde gemeinsam mit dem «Tiergartenmörder» Wadim Krassikow, der in Berlin einen tschetschenischen Oppositionellen ermordet hatte, von Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich willkommen geheissen.
Bereits 2023 hatte das russische Magazin «Agentstvo» berichtet, dass sich González im Auftrag des Militärgeheimdienstes GRU in Exilkreise eingeschlichen habe. Diese Version wurde im August 2024 von der Journalistin Agnieszka Pikulicka-Wilczewska für den arabischen Nachrichtensender Al Jazeera bekräftigt. In ihrer Recherche heisst es, González habe 2016 eine Beziehung zu Schanna Nemzowa aufgebaut, der Tochter des vom Kreml ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzow, und sich Zugang zur russischen Exilgemeinde erschlichen.
Auch eine soeben erschienene ausführliche Recherche des britischen «Guardian» stützt nun diese These. Für den Autor Shaun Walker ist vor allem auffällig, wie zielstrebig González Zugang zu Oppositionskreisen suchte, wie sehr er seinen Charme einsetzte, um persönliche Bindungen aufzubauen, und wie viel Interesse er an Informationen zeigte, die für eine rein journalistische Arbeit irrelevant waren. Walker vermutet, González habe tatsächlich als Journalist angefangen, sei aber vor einigen Jahren bei einer Moskaureise vom Geheimdienst angeworben worden.
Männlich die Hand schütteln
Verdächtig ist auch, dass aus dem persönlichen Umfeld von González in Spanien zuletzt nichts mehr zu hören war. Nach seiner Freilassung hatte es zunächst geheissen, González werde nach Prüfung seiner rechtlichen Situation nach Bilbao zurückkehren und wieder als Journalist arbeiten. Doch obwohl er drei Kinder in Bilbao hat, ist er in Russland geblieben und liess bis auf ein Interview im dortigen Staatsfernsehen nichts mehr verlauten. Bemerkenswert ist auch, was er dort vor laufender Kamera sagte. Statt auch nur den Anflug einer Irritation zum Ausdruck zu bringen, gab sich González patriotisch: Er habe auf dem Weg aus der Maschine geübt, um Präsident Putin «stark und männlich die Hand zu schütteln».
González’ Unterstützer:innen müssen sich nicht vorwerfen, dass sie das wenig rechtsstaatliche Vorgehen Polens öffentlich kritisierten. Eingestehen müssen sie sich jedoch (ebenso wie der Autor dieser Zeilen), dass sie am Ende nicht für einen kritischen Journalisten, sondern für einen Agenten der rechtsextremen russischen Regierung geworben haben.