Clara Ragaz-Nadig: Feministin gewürdigt

Nr. 45 –

Als Clara Ragaz-Nadig 1957 stirbt, dauert es noch vierzehn Jahre bis zur Einführung des Frauenstimmrechts 1971. Zeitlebens hatte sich Ragaz-Nadig dafür eingesetzt. Bis heute ist ihr Wirken in der Frauen- und Friedensbewegung, als religiöse Sozialistin und in der sozialen Arbeit von hoher Aktualität. Eine von der Zeitschrift «Neue Wege» initiierte Gedenktafel an der Gartenhofstrasse 7 in Zürich soll das breite soziale Engagement von Clara Ragaz-Nadig nun endlich öffentlich sichtbar machen.

Es ist eine späte Würdigung – und eine, die ihrem Ehemann bereits kurze Zeit nach seinem Tod zuteilwird: Nach dem Theologen Leonhard Ragaz wurde in der Stadt Zürich bereits 1950 ein Weg benannt. Dabei ist das Lebenswerk von Clara Ragaz-Nadig nicht minder bedeutend.

Als ausgebildete Lehrerin erkannte sie früh, dass fehlende Bildung ein Grund für Armut sein kann. Zusammen mit Ehemann Leonhard lässt die Familie 1922 das Leben auf dem Zürichberg hinter sich, um sich im Arbeiter:innenquartier Aussersihl in den Dienst der Menschen zu stellen. Fortan hält Pfarrer Leonhard Ragaz seine Andachten im Haus an der Gartenhofstrasse 7. Der Gartenhof wird zur Bildungsstätte, zum Ort der Nachbarschaftshilfe, zum Zentrum der Friedensbewegung und während des Zweiten Weltkriegs schliesslich auch zum Ort der Zuflucht vor der nationalsozialistischen Verfolgung.

Für Clara Ragaz-Nadig war Frieden eine notwendige Bedingung für Feminismus und Sozialismus. Von der Friedenskonferenz in Versailles ausgeschlossen, organisierte sie 1919 eine internationale Frauenfriedenskonferenz mit. Neben der sofortigen Abrüstung forderten die Teilnehmerinnen das Recht auf politische Partizipation. In ihrer Eröffnungsrede betonte Ragaz-Nadig, wie wichtig die Sorgearbeit für die Friedensförderung sei. Diese oft von Frauen geleistete Sorgearbeit verstand sie als Ausgangspunkt für eine friedliche und lebenswerte Welt. Kein Frieden ohne Care-Arbeit! – Eine Parole, die auch heute noch gültig ist.

Dieses Jahr hätte Clara Ragaz-Nadig ihren 150. Geburtstag gefeiert. Für die Historikerin Brigitte Studer ist sie eine der «bedeutendsten Schweizer Pazifistinnen und Feministinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts». Für eine eigene Würdigung reicht das trotzdem nicht. Sie muss sich die neue Gedenktafel mit Leonhard Ragaz teilen.