Kost und Logis: Egal ob du Hühner hältst
Bettina Dyttrich ist überfordert und macht Ofengemüse

Dieser Text soll am Ende von Kürbissen handeln. Ich habe keine Ahnung, wie ich dort hinkommen soll. Über Gemüse zu schreiben, wirkt gerade unangemessen neben Donald Trumps Rückkehr, dem Töten im Nahen Osten, dem Töten in der Ukraine und überall, wo gerade niemand hinschaut, neben der Drohung «Your body, my choice».
Zwischen den News und dem Alltag klaffte in den letzten Wochen ein Graben: Darf ich mich noch über das unwirklich schöne Herbstlicht am Urnersee freuen? Was bringen schon meine unbeholfenen Versuche, links zu leben, nicht zu viel Schaden anzurichten, sorgfältig Texte zu schreiben?
Diesen Sommer las ich in einer Berghütte in «Kapitalistischer Realismus ohne Alternative?» herum, einem Buch des britischen Kulturwissenschaftlers Mark Fisher, der sich 2017 das Leben nahm. Das Buch, unter dem Eindruck der Occupy-Bewegung geschrieben, plädiert für internationale Solidarität der Lohnarbeitenden. Fisher hielt nicht viel von Versuchen, alternative Strukturen aufzubauen, von Gemeinschaftsgärten und Ähnlichem. Er zitierte die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Jodi Dean: «Goldman Sachs ist es egal, ob du Hühner hältst.»
Ich verstehe diese Argumente sehr gut. Es ist gefährlich und dumm zu glauben, mit ein paar Alternativprojekten lasse sich der Kapitalismus abschaffen. Diese Projekte pauschal abzuwerten, halte ich allerdings auch für gefährlich und dumm. Wir brauchen dringend internationale Solidarität unter den Arbeitenden. Aber brauchen wir deshalb keine Gemeinschaftsgärten?
Seit über fünfzehn Jahren habe ich mit Leuten zu tun, die versuchen, einen Teil ihrer Lebensmittelversorgung solidarisch und fair zu organisieren. Das ist nicht revolutionär. Aber es ist wohl die Grundlage, um überhaupt an weitergehende politische Projekte denken zu können – wenn wir nicht davon ausgehen, dass unser Essen, produziert von anderen, ärmeren Menschen, für immer abgepackt geliefert werden wird. Die Arbeit am Konkreten ist für viele auch lebensnotwendig, um psychisch einigermassen beieinanderzubleiben. Bestenfalls ist sie Care-Arbeit für Pflanzen, Tiere, Böden, andere Menschen und sich selbst.
Kürbisse sind nicht so umstritten wie Pastinaken, aber manche finden sie langweilig. Wahrscheinlich haben sie Muskat (die grossen Halloweendinger) genommen. Sie sollten besser Knirps, Hokkaido oder Butternuss nehmen. Die sind aromatischer, und man muss sie auch nicht schälen. Einfach in Scheiben schneiden, auf ein Blech legen, mit Olivenöl beträufeln, salzen und eine halbe Stunde in den Ofen. Wer Weisskabis langweilig findet, sollte ihn einmal so zubereiten. Vielleicht sogar Pastinaken. Das Resultat ist erstaunlich.
Wir essen gut; wir versuchen, gut miteinander umzugehen; wir verteidigen die Menschenrechte. Und wir sind in der Lage, eine Autobahnabstimmung zu gewinnen. Noch vor einer Woche hätte ich das nicht geglaubt.
Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.