Wahlen in Rumänien: Keine normalen Umstände

Nr. 49 –

Bei den Parlamentswahlen schnitten rechtspopulistische Parteien schlechter ab als befürchtet. Trotzdem könnte der rechtsextreme Verschwörungstheoretiker Călin Georgescu am Wochenende Präsident werden.

Auf den Schock folgte letzten Sonntag zumindest etwas Erleichterung: Drei rechtspopulistische Parteien kamen bei den rumänischen Parlamentswahlen gemeinsam auf rund dreissig Prozent der Stimmen. Das ist viel, aber weniger als erwartet, nachdem der rechtsextreme Tiktoker Călin Georgescu eine Woche zuvor überraschend am meisten Stimmen im Rennen um das Amt des Präsidenten bekommen hatte.

Bezüge zum rumänischen Faschismus

Niemand hatte mit diesem Ergebnis gerechnet. Ministerpräsident Marcel Ciolacu, dessen sozialdemokratische PSD seit zwanzig Jahren keinen Präsidenten mehr stellen konnte, hatte sich über die Chance gefreut, die ihm das geschwächte bürgerliche Lager um den abtretenden Klaus Johannis zu bieten schien. Umfragen zufolge galt er als Favorit im Wettbewerb um den wichtigsten Posten im Land, auf Platz zwei sahen sie den rechtsnational gesinnten George Simion von der AUR-Bewegung.

Doch das Kalkül ging nicht auf, ganz im Gegenteil: Ciolacu und Simion schafften es gar nicht erst in die zweite Runde. Das beste Resultat erzielte mit knapp 23 Prozent der Stimmen Călin Georgescu, von dem die meisten Rumän:innen bislang noch nicht viel gehört hatten. Nur wenige Medien hatten zuvor über den 62-jährigen Agronomen berichtet, der vor allem mit seinen Videos auf Tiktok bekannt wurde, in denen er eine Grunderneuerung der Politik versprach.

Entsprechend gross ist bei vielen das Staunen über die skurrilen Auftritte und steilen Thesen, die nun ans Licht gekommen sind. Georgescu ist nicht nur klassischer Verschwörungstheoretiker, er verwendet in seinen Reden auch häufig Motive, die in den 1930er Jahren das Gedankengut der «Legionäre» prägten. Die Mitglieder dieser auch als «Eiserne Garde» bekannten faschistischen Bewegung predigten eine Art christlich-orthodoxen Fundamentalismus und waren bis in die frühen vierziger Jahre an zahlreichen antisemitischen Pogromen und politischen Morden beteiligt.

Georgescu verfolgt darüber hinaus ein ähnliches Programm wie Rechtspopulist:innen in anderen Ländern: Er leugnet die Wirkung von Impfungen und die Existenz der Klimakrise, ist gegen das Recht auf Abtreibung, die Rechte von LGBTIQ+-Personen und hetzt gegen Migrant:innen. Wirklich Fahrt aufgenommen hat seine politische Karriere erst 2020, mitten in der Pandemie. Damals schrieb er das Programm für George Simions noch junge Partei AUR, die darauf ins Parlament einzog. Nach einem Konflikt mit Simion trat Georgescu aus der Partei aus und beschloss, bei den diesjährigen Wahlen als unabhängiger Kandidat anzutreten.

Wechsel im bürgerlichen Lager

Es folgte ein Wahlkampf auf Tiktok, aber auch offline mit Auftritten auf Dorffesten und in Kleinstadtkirchen. Georgescu gelang es, die Unzufriedenheit im ländlichen Raum zu instrumentalisieren. Angesichts der grossen Entwicklungsunterschiede in Rumänien hatte er damit Erfolg. In Städten wie Bukarest, Cluj und Sibiu dominierten dagegen die bürgerlichen Kandidat:innen, die die sehr niedrigen Steuersätze beibehalten und den bisherigen, fest in der EU verankerten Modernisierungskurs des Landes weiterfahren wollen.

Der Kandidat der bürgerlichen PNL des scheidenden Staatspräsidenten Johannis erreichte in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl nur Platz fünf, seine Partei wird auch im Parlament nur knapp fünfzehn Prozent der Abgeordneten stellen. Grund dafür sind in erster Linie die magere Bilanz und der Popularitätsverlust von Johannis.

Ein weiteres Mitglied des bürgerlich-liberalen Lagers, die Union Rettet Rumänien (USR), sorgte für die zweite Überraschung im ersten Wahlgang: Ihre Chefin, Elena Lasconi, punktete bei progressiven Wähler:innen in den Grossstädten und wird am kommenden Sonntag gegen Georgescu antreten. Die Wahl gewinnen und zur ersten weiblichen Präsidentin des Landes werden kann Lasconi allerdings nur, wenn sie auch Stimmen von Wähler:innen der sozialdemokratischen PSD erhält – was unter normalen Umständen unrealistisch wäre. Auch für eine Regierungsbildung führen PSD und die bürgerlichen Parteien derzeit Gespräche.