Stichwahl in Rumänien: Die Spaltung bleibt
Der EU-freundliche Präsidentschaftskandidat Nicușor Dan hat in Rumänien überraschend die Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen. In der ersten Runde der Wahl hatte sein rechtsextremer Konkurrent George Simion noch doppelt so viele Stimmen geholt wie Dan. Für die Aufholjagd des parteilosen Bürgermeisters von Bukarest gibt es vielfältige Gründe. Erstens die Arroganz, die Simion zwischen den Wahlgängen an den Tag legte: Er nahm nur an einer einzigen Wahldebatte teil und besuchte die rumänische Diaspora im Ausland, statt die Öffentlichkeit in seiner Heimat zu überzeugen. Geschadet haben dürfte ihm auch seine zunehmend gewalttätige Haltung gegenüber Journalist:innen und politischen Gegner:innen. Unliebsame Journalist:innen griff Simion verbal an; Wähler:innen seines Gegners bezeichnete er als «irrationale Verrückte», und er bedauerte, auch deren Präsident werden zu müssen.
Simions Auftritt im Wahlkampf war auch geprägt von peinlichem Unwissen und trumpistischen Forderungen: So verglich er in einem Interview Frankreich mit dem Iran und forderte die Entlassung von 500 000 Staatsbediensteten, die er als «Parasiten» bezeichnete.
Während Simion versuchte, aus den Ressentiments weiter Kreise der Bevölkerung Kapital zu schlagen, sprach Dan von der Notwendigkeit eines «Rumäniens für alle Rumänen» und versuchte, die sozialen Spannungen zu deeskalieren, indem er eine Vermittlerrolle übernahm. Das kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei dieser Wahl zwei Fraktionen der Rechten gegeneinander angetreten sind (siehe WOZ Nr. 19/25): eine isolationistische Rechtsextreme und eine neoliberale, EU-freundliche, konservative Rechte, die die Ursachen für die Spaltung der Gesellschaft und die Radikalisierung von 45 Prozent der Wähler:innenschaft nicht beseitigen wird.
Das Wahlverhalten zeigt eine klare Polarisierung zwischen den städtischen Zentren, die für den liberalen Kandidaten gestimmt haben, und den peripheren Stadtgebieten sowie ländlichen und kleinstädtischen Regionen, die für Simion votierten. Dies bestätigt die tiefe sozioökonomische Ungleichheit im Land. Doch statt einer gerechteren Verteilung des Wohlstands hat Dans möglicher künftiger Premierminister Ilie Bolojan bereits Sparmassnahmen angekündigt.