Machtpolitik: Viel Schaden mit Rösti
Vorletzte Woche diskutierte der Ständerat wieder einmal über den Wolf. Zur Debatte stand unter anderem eine Motion des Tessiner Mitte-Ständerats Fabio Regazzi, die «wolfsfreie Zonen» fordert. Bundesrat Albert Rösti vertrat die ablehnende Haltung der Regierung. Doch seine implizite Botschaft war, wie so oft: Lasst mich machen; ich teile eure Ziele, aber ich habe die bessere Strategie. Dabei sagte er einen bezeichnenden Satz: «Wenn man ein Problem hat, kann man zu mir kommen, und wenn es gut läuft, haben wir innerhalb eines Wochenendes eine Lösung.»
Recherchen der WOZ zeigen: Der Naturschutz steht unter starkem Druck. Dieser Druck kommt von Rösti und seinem Vertrauten Yves Bichsel, Generalsekretär des Umwelt- und Verkehrsdepartements (Uvek). Die Leitung des Bundesamts für Umwelt (Bafu) gibt den Druck gegen unten weiter. Das führt sogar zur Zensur wissenschaftlicher Berichte: Welche Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz bedroht sind, ist unter Rösti zur politischen Frage geworden.
Und Seltsames geschieht: Der etablierte Fachbegriff «ökologische Infrastruktur» wird vom Bafu für unerwünscht erklärt, dann plötzlich wieder erlaubt. Ist das eine Kommunikationspanne oder ein misslungener Versuch, die Wissenschaft zu gängeln – oder geht es sogar darum, gezielt Frustration und Verwirrung zu stiften?
Mit seinen Aussagen und Amtshandlungen zeigt Rösti immer wieder, was er von sorgfältigen demokratischen Prozessen hält: nicht viel. Schon mehrmals hat er die Dauer der Ämterkonsultation von Bundesratsgeschäften verkürzt – üblich wären drei Wochen – und damit den Spielraum seiner Kritiker:innen eingeschränkt. Er drückt die Revision der Jagdverordnung ohne Vernehmlassung durch. Er stellt im Bundesrat den Antrag auf die Senkung der Serafe-Gebühren – die Medien wissen es, bevor es die anderen Departemente erfahren. Im Bafu verhindert er, dass ein Kandidat, der ihm nicht passt, für den Wolf zuständiger Sektionsleiter wird.
Wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert Rösti gern: Er setzt die Mindestanzahl Wolfsrudel willkürlich auf zwölf fest, obwohl es laut einer breit abgestützten Studie siebzehn braucht, um den Bestand in der Schweiz zu sichern. Vor der Abstimmung über den Autobahnausbau wischt er mit flapsigen Bemerkungen Forschungsergebnisse weg, die besagen, dass mehr Strassen zu mehr Verkehr führen. Sein Generalsekretär ist ein evangelikaler Hardliner und verharmlost die Klimaerhitzung.
Als Rösti Anfang 2023 ins Amt kommt, könnte das Timing nicht besser sein: Die Klimabewegung ist geschwächt, und die Angst vor Strommangel lässt das Parlament die juristische und raumplanerische Sorgfalt bei der Planung von Wasser- und Solarkraftwerken über Bord werfen. Das passt Wasser- und Atomkraftlobbyist Rösti, der die Angst auch gleich nutzt, um neue AKWs zu propagieren.
Auch sonst hilft Rösti die Grosswetterlage: Seit Putins Vollinvasion in die Ukraine haben in ganz Europa Landwirt:innen Aufwind, die möglichst viel produzieren wollen, das Wort «Biodiversität» für linksextrem halten und Einschränkungen beim Gebrauch von Pestiziden und Dünger ablehnen. Lasche Regeln bei Pestiziden: Unter anderem darum geht es auch vielen Schweizer Landwirt:innen, die «administrative Vereinfachungen» fordern. Obwohl Agronom Rösti nicht für die Branche zuständig ist (sondern Parteikollege und Landwirt Guy Parmelin), stärkt er jene Kreise. Kantonale Bauernverbandsvertreter:innen brächten sich viel aggressiver gegen den Naturschutz in Stellung als noch vor einigen Jahren, sagt eine Umweltfachperson, mit der die WOZ gesprochen hat.
Albert Rösti ist auch als Bundesrat Lobbyist geblieben. Ein Lobbyist für Autos, AKWs und andere Irrtümer der Vergangenheit, der bereit ist, demokratische Strukturen zu beschädigen, wenn es seinen Zielen dient. Ist er als Bundesrat noch tragbar?