Literatur: Aus der Tochter wird kein Fussballsohn

Nr. 2 –

Buchcover des «Piksi-Buch»
Barbi Marković: «Piksi-Buch». Verlag Voland & Quist. Berlin 2024. 100 Seiten.

«Piksi-Buch», so heisst das neue Buch von Barbi Marković – benannt nach dem serbischen Dribbelkünstler Dragan Stojković, Spitzname Piksi. Erschienen ist es in der literarischen Fussballreihe «Ikonen» bei Voland & Quist, doch Marković macht schnell klar: «Aber diesen euren Piksi könnt ihr vergessen. Hat jemand erwartet, dass ich wirklich die Biografie von so jemandem schreibe?» Tatsächlich ist Piksi nur eine Nebenfigur in diesem ungemein witzigen und tieftraurigen Text. Vielmehr geht es um eine Vater-Tochter-Beziehung in einer patriarchalen Gesellschaft und um den jugoslawischen Fussball kurz vor dem Zerfall des Staates.

Eine Ikone gibt es dennoch, nämlich den Vater der Ich-Erzählerin Barbi Marković. Dieser faszinierende «hedonistische Exzentriker» und begnadete Barfussfussballer schaut Fussball, als sei es Theater. Er nimmt seine Tochter mit in die Stadien unterklassiger Belgrader Vereine, doch auch der magische Staub von Piksis Schuhen führt nicht dazu, dass aus ihr eine Fussballerin wird. Er muss sich eingestehen: «Der Traum von der Tochter als Fussballsohn ist geplatzt.»

Die Autorin, die zuletzt mit «Minihorror» den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen hat (siehe WOZ Nr. 13/24), mixt wie so oft in ihren Texten gekonnt Autobiografisches mit Fantastischem und parodiert andere Textformen. Diesmal ahmt sie die Sprache der Fussballkommentatoren der damaligen Zeit nach, die mit schrägen Reimen, Vergleichen und Übertreibungen nicht sparten. Und schon im Titel steckt die Anspielung auf die bekannten «Pixi»-Bücher für Kinder. Das passt zu dieser Kindheitsgeschichte, die mit dem achten Geburtstag von Barbi 1988 einsetzt und bis ins unheilvolle Jahr 1990 führt, als das Land und auch die Familie zu zerfallen beginnen. Am Ende des Buches erleben wir noch einmal das tragische WM-Viertelfinale zwischen Jugoslawien und Argentinien. Und so fühlt man sich nach der Lektüre dieses rasanten Textes denn auch wie nach einem grossen Fussballspiel, das die eigene Mannschaft dramatisch verloren hat: erschöpft, traurig und doch dankbar, dabei gewesen zu sein.