Durch den Monat mit Barbi Marković (Teil 2): Muss Humor politisch korrekt sein?
Die Autorin Barbi Marković erzählt einen Witz – und sie erklärt, weshalb sie Horrorfilme und wütende Frauen mag und sogar auf Toiletten im Zug schreiben kann.

WOZ: Barbi Marković, wie wichtig ist Ihnen Humor?
Barbi Marković: Ich kenne keine andere Art von Kommunikation. So kann ich Gespräche aufrechterhalten, ohne dass alle sich umbringen. Gerade beim Schreiben möchte ich nicht das Selbstverständliche aussprechen, mit Humor kann ich in tiefere Sphären vordringen. Ich fände es schrecklich, didaktisch zu sein. Ich möchte niemandem die Welt erklären. Ich schwimme doch selbst.
WOZ: Dient Humor auch dazu, schwere Themen erträglicher zu machen?
Barbi Marković: Nicht unbedingt. Ich möchte schon, dass die Menschen beim Lesen meiner Bücher zumindest ein bisschen schwer atmen. Es soll aber nicht deprimierend sein, deshalb vermische ich schreckliche Emotionen mit Unterhaltung. Es liegt wahrscheinlich auch an mir, dass ich sehr schnell gelangweilt bin. Ich möchte, dass auch alle anderen ein bisschen Spass haben bei all dem Pessimismus.
WOZ: In Ihrem Roman «Minihorror» spielen Sie Katastrophen durch.
Barbi Marković: Ja, obwohl ich finde, es sind keine grossen Katastrophen, eher ganz reale Situationen, die ich eine Schraube weiterdrehe. Wahrscheinlich mag ich deshalb auch Horrorfilme so gern: Man hört konzentrierter zu, wenn man ein wenig Angst hat. Die Menschen schauen gebannt, wie sich Zombies abschlachten, und merken erst später, dass es auch um Konsumverhalten und Kapitalismus ging.
WOZ: Es gibt gerade eine Diskussion, ob Humor politisch korrekt sein soll.
Barbi Marković: Es ist mir tatsächlich nicht unwichtig, ob ich jemanden verletze. Ich trete sehr gern, aber nicht nach unten. Wenn ich da einen Fehler mache, dann verfolgt mich das sehr lange. Ich bin sensibel für Machtverhältnisse – und ich finde, man sollte Humor nutzen, um diese auszugleichen.
WOZ: Und wie stehen Sie zum Witzeerzählen?
Barbi Marković: Ambivalent. Ich habe gerade eine Poetikvorlesung geschrieben, das wird mein nächstes Buch mit dem Titel «Stehlen, Schimpfen, Spielen». Darin erzähle ich einen schlechten Witz.
WOZ: Wie geht der?
Barbi Marković: Es fliegt eine Fliege durchs All. Fragt das All: «Sag mal, wieso bist du so klein?» Sagt die Fliege: «Geh, schleich dich!» Das war lange mein Lieblingswitz, weil es um Machtverhältnisse geht. Aber Witze auf Kosten von marginalisierten Gesellschaftsgruppen? Warum sollte ich die machen, so «Frau mit Bügeleisen»-Witze? Ich weiss nicht, ob das lustig ist.
WOZ: Ihre Frauenfiguren sind aufmüpfig und sehr eigen. Wie feministisch ist Ihre Kunst?
Barbi Marković: Frauen sind die wichtigsten Personen in meinen Büchern. In ihnen versuche ich, die Komplexität der menschlichen Erfahrung einzufangen. Das gelingt mir bei Frauen- besser als bei Männerfiguren. Ich versuche zwar, mich in sie hineinzuversetzen, aber es fällt mir schwer. Deshalb streue ich Männer wahrscheinlich wie Schmuckstücke in meine Texte ein. Ich finde sie schön und sexy, aber ich verstehe sie nicht wirklich.
WOZ: Frauen traut man weniger Humor zu. Aber auch Wut scheint männlich besetzt zu sein.
Barbi Marković: Wenn ich nach literarischen Vorbildern gefragt werde, nenne ich immer Biljana Jovanović und Thomas Bernhard. Jovanović hat über Frauen geschrieben, die verrückt vor Wut sind. Ich fand das als Teenager unfassbar toll. Ich habe damals nicht viel darüber nachgedacht, aber es war wichtig zu sehen, dass es eine weibliche Stimme gibt, die so crazy und wütend ist. Ich mag Verzweiflung in der Literatur, Wut und eine gewisse Härte. Aber auch Rhythmus und Humor, was mich wahrscheinlich mit Thomas Bernhard verbindet.
WOZ: Sie wurden berühmt mit der Bernhard-Paraphrase «Ausgehen».
Barbi Marković: Da habe ich tatsächlich Thomas Bernhards Erzählung «Gehen» fast schon unverschämt gestohlen und auf meine Lebenswirklichkeit in Belgrad umgelegt. Damals waren Remixe noch umstritten, vieles wurde schnell als Plagiat abgeurteilt. Darf man Dinge nehmen und neu verarbeiten? Ich fand interessant, an die Grenze von etwas Verbotenem zu gehen, ein wenig zu provozieren. Mittlerweile ist das Remixen als literarisches Genre viel mehr im Mainstream angekommen.
WOZ: Sie mischen auch Hochkultur, Trash, Popkultur und Gaming in Ihren Büchern …
Barbi Marković: Für mich war das nie ein Widerspruch. Das war die Kultur, die ich wahrgenommen habe, mit der ich aufgewachsen bin. In meinem Bücherregal standen die Comics von Grant Morrison neben der Literatur von Marcel Proust. Warum auch nicht?
WOZ: Brauchen Sie eine bestimmte Struktur, um kreativ zu sein?
Barbi Marković: Die hätte ich gern, aber es ist leider Teil des Jobs, dass man ständig auf Reisen ist. Ich schreibe also überall, sogar auf Toiletten in Zügen. Ich sage auch kaum Aufträge ab. Ein Teil von mir ist noch immer gerade erst nach Wien gekommen und versucht zu überleben. Deshalb kann ich auch nicht gut lange auf Urlaub gehen. Ich bin bei mir selbst angestellt. Und meine innere Chefin ist sehr streng.
Von der 1980 geborenen Barbi Marković erschien 2024 das «Piksi Buch». Nächste Woche erläutert die in Wien lebende Serbin, was sie von Begriffen wie «Mansplaining» hält.