Nepal: Das Dilemma

Nr. 4 –

In Kathmandu treffen die Folgen der Klimaerhitzung die ärmsten Bewohner:innen am härtesten. Und auch die Massnahmen dagegen drohen auf ihre Kosten zu gehen. Doch nun gibt es neue Ideen für einen anderen Umgang mit dem gefährlichen Fluss Bagmati.

zerstörte Häuser am Ufer des Bagmati-Fluss in Kathmandu
Es blieb nur Zuschauen: Als im September in Kathmandu der Bagmati über die Ufer trat, verloren mindestens 249 Menschen ihr Leben.

Als die Flut kam, legte sich die pensionierte Haushälterin Durga Maya Darji zurück ins Bett.

Der Anwalt Prakash Sharma stand da gerade auf und sah im Wasser einen Segen.

Der Ingenieur Narendra Man Shakya jagte Daten durch ein Statistikprogramm und fand sein mulmiges Gefühl in Zahlen bestätigt.

Und die Aktivistin Bhagavati Adhikari begann, hastig zu telefonieren.

Selbst Menschen, die viele Monsune alt sind, trauten ihren Augen kaum ob der Menge Regen, die Ende September 2024 über Nepal und besonders der Hauptstadt Kathmandu niederging. Flüsse traten über die Ufer, etwas ausserhalb der Metropole riss das Wasser befestigte Häuser mit. Hänge konnten ihr eigenes Gewicht nicht mehr tragen und stürzten in die Tiefe. Mindestens 249 Menschen sind in den Fluten und Schlammlawinen gestorben.

Nach der Katastrophe bereitet sich Kathmandu auf die nächste Flut vor. Darji, Sharma, Shakya und Adhikari werden dabei eine zentrale Rolle spielen. Wie sie künftig miteinander und gegeneinander arbeiten, wird entscheidend dafür sein, ob und wie gut sich die nepalesische Hauptstadt gegen Klimaerhitzung und Wohnkrise wappnet. Zwischen ihnen gibt es aber Konflikte, an denen sich schon einmal Barrikaden entzündet haben.

Durga Maya Darji in einer provisorischen Behausung aus Bambus, Spanplatten und Blech
Ein Zuhause aus Bambus, Spanplatten und Blech: Durga Maya Darji. 

Wasser im Korsett

Durga Maya Darji ist 61 Jahre alt. In den letzten achtzehn Jahren hat sie, wenn sie morgens den Kopf aus ihrer Hütte gestreckt hat, den Bagmati glitzern sehen. Der grösste Fluss der Hauptstadt ist in vielen dieser Jahre über die Ufer getreten. Darji war am 28. September also nicht sonderlich überrascht, als sie von «Flut!»-Rufen geweckt wurde. Sie setzte sich die Brille auf, stapelte so viel Hab und Gut wie möglich auf ihrem Bett und schaute dem steigenden Pegel von dort aus gelassen entgegen. Zweieinhalb Monate später sagt sie: «Ich habe mich geirrt. Diese Flut war nicht wie die anderen. Nur wenig später stand mir das Wasser bis zum Hals.»

Das Zuhause, das Darji zur Falle wurde, hat zwei Zimmer und eine Küche, es ist aus Bambus, Spanplatten und Blech gebaut. Es steht im Quartier Thapathali, in einer von 41 informellen Siedlungen von Kathmandu (was landläufig als Kathmandu bezeichnet wird und im Alltag als eine Stadt funktioniert, besteht politisch aus einem Dutzend verschiedener Gemeinden). Insgesamt beherbergen die informellen Siedlungen auf diesem Stadtgebiet über 4200 Haushalte; ein Grossteil davon in unmittelbarer Flussnähe. Die Überschwemmung hat nach Schätzungen einer Organisation von Betroffenen bis zu 80 Prozent dieser Hütten und Häuser zerstört oder verwüstet. Zwar wurden die meisten mittlerweile wieder hergerichtet. Aber mittelfristig ist ihre Existenz gefährdet.

Wasserbauingenieur Narendra Man Shakya steht am Ufer des Bagmati-Fluss
«Der Fluss in so engen Mauern – es ist verantwortungslos»: Wasserbauingenieur Narendra Man Shakya.

Denn zum einen steigt die Hochwassergefahr mit den wärmeren Temperaturen. «Den extremen Niederschlag, der Ende September auf den südlichen Teil des Tals niederging, haben zwar auch die Klimamodelle nicht vorhergesagt», sagt Narendra Man Shakya, bis 2021 Professor für Wasserbau an der renommiertesten Hochschule im Land. «Aber die Gesamtmenge an Regen war immer noch kleiner als jene, die in der nahen Zukunft möglich ist.»

Und zum anderen sind da die Massnahmen, für die Shakya plädiert, um sich darauf vorzubereiten. Eine lässt sich mit Dynamit umsetzen. Dort, wo der Fluss das Kathmandutal verlässt, fliesst er durch einen Engpass. Dieser liesse sich mit einer Sprengung einfach vergrössern, sagt Shakya. Die andere Massnahme ist komplizierter. Menschen sind im Weg, und dass sie es sind, hat mit einer früheren Generation von Wasserbauingenieur:innen zu tun. Auf der ganzen Welt hat man Flüsse in Korsette gezwängt. Jetzt wird die Luft wärmer, die Hochwasser werden heftiger: Das Korsett birst. In Kathmandu fliesst der Fluss in so engen Mauern, «es ist verantwortungslos», sagt Shakya. Um die Stadt vor Hochwassern zu schützen, müsse man die Flüsse verbreitern.

Wenn der Fluss das Land zurückgewinnt, verlieren aber jene, die dort wohnen, ihre Heimat: Darji und ihre Nachbar:innen müssten die Hütten räumen.

Luftaufnahme einer Drohne von den Verheerungen durch die Flut
Schlamm überall – und Häuser gefährlich nah am Fluss. Drohnenbild von den Verheerungen durch die Flut.

Krieg dem Palast

Umwelt- und Wohnpolitik stehen sich an den Ufern im Kathmandutal seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Weg. Damals wurde das Wohlstandsgefälle zwischen der Metropole und den ländlichen Gebieten immer drastischer, erste Slumstrukturen entstanden. Durga Maya Darji zog in dieser Zeit mit ihrem Mann nach Kathmandu, um in Haushalten zu arbeiten, die es zu Wohlstand gebracht hatten. Zu Beginn lebten sie noch in einer kleinen Mietwohnung.

1996 lenkte die «Kommunistische Partei Nepals / Maoisten» die Wut der Landbewohner:innen in einen Bürgerkrieg gegen die Monarchie. Einige Hütten von Durga Maya Darjis Behausung entfernt wohnt ein hagerer Mann, der erzählt, er sei früher Polizist in Chitwan gewesen, einer Region im Süden, berühmt für einen Nationalpark, in dem einst britische Royals Tiger jagten. Die ersten Ziele der Maoist:innen waren Polizeiposten in abgelegenen Gebieten. Der Mann hatte keine Lust, für den König zu sterben, und setzte sich, so erzählt er, über die Grenze nach Indien ab. Von dort kam er nach Kathmandu.

Die Hauptstadt galt auch während des Krieges als relativ sicher. Viele taten es dem Polizisten gleich, noch mehr Menschen zogen ins Metropolental. Es gibt Schätzungen, dass sich die Landpreise im ersten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende vervierfachten. Viele, die herzogen, fanden keinen bezahlbaren Wohnraum. Sie zimmerten sich an den Flüssen ihren eigenen, auf jenem Land, das bis dahin niemand überbaut hatte, weil es ständig überflutet wurde. Durga Maya Darji sagt, auch ihre Familie habe sich die Wohnung am Stadtrand irgendwann nicht mehr leisten können.

2006 endete der Krieg, 2008 die Monarchie. Kathmandu wuchs weiter und mit ihr die informellen Siedlungen an den Flüssen.

Der Umweltanwalt

Ingenieur Shakya ist nicht der Erste, der die Einengung der Flüsse für gefährlich hält. Ein anderer hat das schon vor Jahren in eine Anklageschrift geschrieben.

Der Anwalt Prakash Sharma fand seine Berufung, als er Anfang der neunziger Jahre an einem Fall gegen ein Minenunternehmen mitarbeitete, das einen Berg in der Nähe Kathmandus in seine marmornen Einzelteile zerlegte. Er gründete die Organisation «Pro Public» und begann, mit unzähligen Grundsatzfragen vors höchste nepalesische Gericht zu ziehen. Sharma klagte, weil junge Frauen nicht selbstständig einen Pass beantragen konnten; er klagte, weil öffentliche Infrastruktur nicht barrierefrei ist; er klagte gegen das Rauchen in der Öffentlichkeit. Sharma gewann häufig.

Prakash Sharma und Sanjay Adhikari
Der Kampf dafür, dass der Bagmati besser behandelt wird, geht weiter: Anwalt Prakash Sharma (rechts) mit seinem Kollegen Sanjay Adhikari.

Zum Medientermin trägt er Hemd und Weste, aber auf den Kopf hat er sich ein weiss-oranges Baseballcap des Bagmati River Festival gesetzt. Das Festival fand zuletzt im August 2024 statt und soll den Flussschutz in der Öffentlichkeit populär machen. 1996 begann Sharma, dafür zu kämpfen, dass der Bagmati besser behandelt wird. Dass dem Fluss so wenig Platz gelassen wird, verstösst für ihn gegen das Recht auf Leben der Anwohner:innen, das Recht auf Kultur und das Recht auf Religion – der Bagmati ist im Hinduismus heilig. Im Dezember 2023 hat Prakash Sharma vor dem obersten nepalesischen Gericht recht bekommen. Vierzig Meter rechts und links der Flüsse der Hauptstadt dürfte niemand mehr wohnen. Die Regierung hat Berufung eingelegt, rechtskräftig ist das Urteil noch nicht.

Ein Erfolg waren Sharmas Klagen aber auf jeden Fall. Die Richter:innen urteilten mehrfach, die Regierung müsse den Fluss besser schützen. Die Regierung gab, so erzählen es mehrere Leute, die den Fall gut kennen, diesen Auftrag an eine Organisation weiter, die bis dahin ein schlecht finanziertes Schattenplätzchen in den weitverzweigten Strukturen des nepalesischen Staates innegehabt hatte: dem «High Powered Committee for Integrated Development of Bagmati Civilization» (HPCIDBC). Das HPCIDBC machte sich an die Arbeit und merkte, dass ihm über 4200 Haushalte im Weg sind.

Die unheilige Allianz

2022 schickte das HPCIDBC den Bewohner:innen der informellen Siedlung in Thapathali, wo Darji und der Expolizist wohnen, die Anweisung, ihre Häuser zu verlassen. Als sie sich nicht fügten, wandte sich das Komitee an die Gemeinde Kathmandu.

Ins Regierungsgebäude der Hauptstadt war kurz zuvor einer eingezogen, der Bauingenieur und Rapper war, bevor er Politiker wurde: Balendra Shah teilt den Nachnamen mit der letzten Königsdynastie und zeigt sich in der Öffentlichkeit fast nur mit Sonnenbrille. Shah, sagt man, hasse alles, was in seiner Stadt Dreck macht. Die Slums sind für ihn vor allem das: Dreckschleudern.

brennende Reifen beim Protest gegen die Zwangsräumung der informellen Siedlung im Quartier Thapathali
Protest gegen die Zwangsräumung der informellen Siedlung im Quartier Thapathali im November 2022.

Shah schickte im November 2022 die Polizei los, um den Räumungsbefehl der Flussschützer:innen durchzusetzen. Der Expolizist, der heute hier wohnt, kichert. «Wenn sie kommen, schmeissen wir Ziegelsteine.» 2022 brannten um Thapathali herum die Barrikaden, die Bilder flimmerten über die nepalesischen Bildschirme. Balendra Shah stellte einen Clip auf seinen Instagram-Kanal und nannte die Bewohner:innen Terroristen. Schliesslich zog er seine Polizist:innen unter Druck der Öffentlichkeit und wohl auch der nationalen Regierung wieder ab.

Prakash Sharma sagt, dieses Vorgehen der Organisation, die dank ihm an Macht gewonnen hat, sei weder in seinem Sinn «noch in jenem des Gerichts». Im Urteil vom Dezember 2023 steht nun, dass die Bewohner:innen zwar dem Fluss weichen müssen, ihnen aber Alternativen oder Geld geboten werden sollen.

Darüber sind die Betroffenen allerdings auch nicht glücklich.

«Natürlich wollen wir Alternativen»

Im grössten Raum des Hauptsitzes des Nepal Mahila Ekata Samaj (NMES) sitzt eine junge Frau auf dem Boden und pinselt einen leuchtgelben Bulldozer. Der NMES ist eine Vereinigung von Frauen aus den informellen Siedlungen; Freiwillige bereiten gerade eine Ausstellung vor. Auf dem Balkon trocknet eine Leinwand in der Sonne, auf die jemand eine Überschwemmung in düsteren Farben gemalt hat. Am Bildrand steht gedrängt und etwas verloren ein Häuschen.

Die Geschäftsführerin Bhagavati Adhikari sitzt im Büro nebenan und sagt: «Niemand weiss besser als wir selbst, dass es gefährlich ist, am Fluss zu wohnen. Natürlich wollen wir Alternativen.» Aber gerichtlich verordnete «Unterstützung» macht Adhikari misstrauisch. Zum einen ist die Beziehung zum Staat schlecht, das Misstrauen gross. Adhikari sagt, sie sei überrascht gewesen, dass Polizei und Militär – die in Nepal den Katastrophenrettungsdienst bilden – während der Flut Ende September mit ihr kooperierten und die Menschen in den Siedlungen nicht einfach ertrinken liessen.

Bhagavati Adhikari an einer Sitzung mit weiteren Frauen aus den informellen Siedlungen
«Wir ­haben das Gefühl, man kommt immer weniger um uns herum»: Bhagavati Adhikari (ganz rechts) an einer Sitzung der Vereinigung von Frauen aus den informellen Siedlungen.

Adhikari hat zudem guten Grund, zu vermuten, dass nicht alle Bewohner:innen mitgemeint sind, wenn Unterstützung angekündigt wird. Land ist in Nepal seit jeher ein riesiges Politikum. Keines zu besitzen, hiess lange, keinen Zugang zu Bürgerrechten zu haben. Bis heute gilt es in der Praxis als unmöglich, seinen offiziellen Wohnsitz und damit das Wahlrecht zu verlegen, wenn man am neuen Ort kein Land besitzt. Zwar verspricht die Verfassung den Nepales:innen mittlerweile, nicht landlos sein zu müssen. Eingelöst worden ist das Versprechen aber nicht. An den Flüssen von Kathmandu wohnen allerdings auch nicht nur komplett Landlose. Manche Slumbewohner:innen sind Arbeitsmigrant:innen, denen irgendwo in Nepal ein Stück Erde gehört. In der Hauptstadt ist die Meinung weitverbreitet, dass nur «richtige» Landlose unterstützt werden sollten. «Aber aus irgendeinem Grund sind die Menschen ja hier: Hätten sie genug Land, damit es zum Leben reicht, würden sie kaum in einer Hütte am Fluss wohnen», sagt Adhikari.

Sie hat das Gesetz auf ihrer Seite. Selbst informelle Siedler:innen, denen ein Stück Land andernorts gehört, könnten vom Staat billig Land pachten. Das ist auch ein Erfolg des NMES. Als sich Nepal nach dem Krieg aufmachte, neue Landgesetze auszuarbeiten, wurde es dabei von Uno-Habitat – einer Unterorganisation der Vereinten Nationen – unterstützt. Uno-Habitat wiederum arbeitet eng mit dem NMES zusammen. «Wir gehen sehr bewusst und gezielt über internationale Organisationen», sagt Adhikari. «Denen wird besser zugehört als uns.» Wobei sich das gerade ändere: «Wir haben das Gefühl, dass man immer weniger um uns herumkommt.»

Auch Durga Maya Darji und der frühere Polizist sagen, sie würden gerne weg vom Fluss. Eine Flut wie jene von Ende September ist nicht vorbei, wenn alle Teppiche geschrubbt sind. Darjis Angst kam spät, aber als sie da war, ging sie nicht mehr. Sie hörte den Regen auf dem Dach des Schulhauses, in dem sie untergebracht worden war, und konnte nicht schlafen. Mittlerweile sei es etwas besser, sagt sie, weil die Regenzeit vorbei sei. In Darjis Kopf kreisten neben den Bildern vom Wasser auch Sorgen um die Enkelinnen, mit denen sie ihre Hütte teilt. Nach der Flut brach in Kathmandu Dengue aus, Darjis Enkelin Nisha wurde mit schweren Symptomen in ein Spital gebracht. Und während sie dort fieberte, hätte ihre Cousine eigentlich lernen sollen. Wenige Tage nach den Überschwemmungen fanden wichtige Prüfungen statt. Doch der Fluss hatte die Bücher weggeschwemmt, sie konnte nicht teilnehmen. «Ich will, was alle anderen auch wollen: ein sicheres Zuhause und eine gesunde Umwelt», sagt Darji.

Die Menschen nach ihren Bedürfnissen fragen

Manche Exponent:innen des nepalesischen Staates weisen auf den nordwestlichen Stadtrand von Kathmandu und werfen den Siedler:innen Heuchelei vor. 2014 zog das Ministerium für Stadtentwicklung hier drei gelbliche Gebäude hoch, um Bewohner:innen der informellen Siedlungen «umzusiedeln». Um die 230 Wohneinheiten sind es – theoretisch. In einer arbeiten mittlerweile Beamt:innen eines «ward office», einer Art Kreisbüro, und Polizist:innen. Die anderen stehen komplett leer.

Im Inneren sieht man Studios, insgesamt etwa so gross wie ein geräumiges Schweizer Schlafzimmer. Ein Vertreter des HPCIDBC sagt, man habe den Siedler:innen von Thapathali auch 2022 vor dem Räumungsversuch nochmals angeboten, hier einzuziehen. Das hätten sie nicht gewollt. Manche sagen, die Leute hätten nicht umziehen wollen, weil die Häuser zu weit weg vom Stadtzentrum und die Wohneinheiten für Menschen, die häufig in grossen Familien organisiert sind, zu klein seien.

Bhagavati Adhikari sagt, das stimme: Die Wohneinheiten seien suboptimal. Und sie kritisiert das HPCIDBC: «Man sagte uns, die Leute dürften drei Monate gratis dort leben. Was danach geschehen würde, konnte uns niemand sagen, geschweige denn, dass uns ein schriftliches Angebot vorgelegt worden wäre.» Das HPCIDBC beantwortet die Frage, was das konkrete Angebot war, auch der WOZ nicht.

Im Süden der Stadt gibt es hingegen ein Beispiel, das zeigt, wie Alternativen funktionieren könnten. Dort steht ein langes Ziegelsteingebäude: 44 Miniaturreihenhäuschen mit zwei Stockwerken, einem kleinen Wohnraum und zwei bis drei Schlafzimmern, gerade gross genug für ein Doppelbett. 2005 mussten Bewohner:innen einer informellen Siedlung ihre Häuser für eine neue Strasse räumen. Eine NGO suchte und kaufte Land. Entscheidend war: Sie fragte die Menschen, die aus ihrem Zuhause vertrieben wurden, nach ihren Wünschen und setzte diese dann auf dem Landstück um. Die Familien bekamen Darlehen, mittlerweile haben 24 Bewohner:innen diese zurückgezahlt und sind nun Hausbesitzer:innen.

Der Hochwasserschutz von Kathmandu ist abhängig davon, dass mehr solcher sicherer, bezahlbarer Wohnraum entsteht. Und umgekehrt ist der sichere, bezahlbare Wohnraum davon abhängig, dass die Stadt vor Naturkatastrophen geschützt wird. Ein Anlass zur Hoffnung ist, dass die Themen zunehmend zusammen angegangen werden. Zum einen ist da die neue «Kommission zur Lösung von landbezogenen Problemen». Als ihren Sekretär setzt die Regierung einen Techniker ein: einen Geografen mit einem Master in Wasserresourcenmanagement.

Zum andern scheint auf Seite der Umweltexpert:innen mittlerweile vielen klar zu sein, dass Vernetzung nötig ist. Die Asiatische Entwicklungsbank will in Kathmandu ein Projekt zur ökologischen Stadterneuerung umsetzen. Für die erste Phase hat sie Sanjaya Uprety als Berater eingesetzt. Er ist Stadtplaner, Vorsteher des wichtigsten universitären Architekturdepartements des Landes und forscht unter anderem dazu, wann Umsiedlungen erfolgreich sind: wenn die Alternativen den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Uprety betont denn auch bei einem Treffen mit den Geldgebern Ende Oktober: Das Projekt könne nur erfolgreich sein, wenn es bezahlbaren Wohnraum mitdenke.

Dieser Artikel ist mithilfe der Übersetzungsarbeit von Rishika Dhakal entstanden.

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