Bundesratswahl: Milch, Macht, Bauernstaat

Nr. 5 –

«Der Ritter für Bern»: So lautete der Slogan, mit dem Markus Ritter 2011 in St. Gallen zum Nationalrat gewählt wurde. Auf dem Plakat war er in einer Ritterrüstung zu sehen. Ob die Werbung eine Vorwarnung war, dass Ritter heute Verteidigungsminister werden und sich um die Aufrüstung kümmern möchte? Auf alle Fälle zeigte sich schon damals, was heute alle Medien gerne erzählen: Ritter ist ehrgeizig, selbstüberzeugt, ein machtbewusster Strippenzieher. Damit hat es sich aber auch.

Denn Ritter, der Bauernpräsident, ist ein Milchbüechli-Politiker. Macht versteht er als Addition von Wahlprozenten und Parlamentssitzen. Dafür paktiert er bei den St. Galler Wahlen regelmässig mit der SVP. Seine Machtgestaltung zielt einzig darauf ab, Vorteile für die eigene Klientel herauszuholen. Und den Einfluss weiter auszubauen, wenn sich eine Lücke bietet. Den abgehobenen Wirtschaftsverbänden verschaffte er mit seiner «Geld und Gülle»-Allianz den Anschein von Bodenhaftung. Und als in diesen Tagen die Mitte-Partei nach dem Rücktritt von Präsident und Bundesrätin implodierte und alle Papabili lustlos ihren Verzicht erklärten, trat Ritter als Bundesratsfavorit aus den Kulissen. Sein Ziel: «Vollgas geben». Wer braucht da noch Inhalte?

Mit diesem Mangel an Ideen würde Ritter allerdings perfekt in den aktuellen Bundesrat passen. Denn nicht nur die Mitte-Partei ist in der Krise, die ganze Regierung ist es. Sie zeigt in diesen herausfordernden Jahren eine frappante Orientierungslosigkeit.

Beispiel Armee: Seit Russland Krieg gegen die Ukraine führt, wirft ihr das Parlament Milliarden in den Rachen. Bis heute hat die Verteidigungsministerin nicht geklärt, was die Aufrüstung umfassen und wie sie finanziert werden soll. Das jüngste Drohnendesaster lässt erahnen, was droht (vgl. «Dysfunktional? Egal!»).

Beispiel Europa: Angesichts der weltpolitischen Umwälzungen ist die Schweiz auf ein stabiles Verhältnis zur EU angewiesen. Doch der Wirtschaftsminister macht keine Anstalten, zwischen Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden innenpolitische Absicherungen zu vermitteln. Im Gegenteil: Mit seiner Untätigkeit arbeitet der SVPler der eigenen Partei zu, die pauschal gegen die Verträge ist.

Beispiel Sozialwerke: Die Annahme der 13. AHV-Rente sowie die Ablehnung der BVG-Revision waren deutliche Zeichen, dass die Bevölkerung mehr Solidarität will. Die Antworten der Finanzministerin sind ein Sparpaket und die Beschwörung der Schuldenbremse: zum Schaden aller, ausser von Ritters Landwirt:innen.

Der Bundesrat ist heute von einer Mehrheit von SVP und FDP dominiert, die sich so weder im Parlament noch in der Bevölkerung findet. Hinzu kommt, dass die beiden Vertreter:innen der SP bisher weder inhaltlich noch strategisch glänzen. Eine Wahl Ritters würde den Frauenanteil in der Regierung senken und die bürgerliche Dominanz erhöhen: So hat er die Mitte-Partei in der Umweltpolitik auf Rechtskurs getrimmt und dient sich in der Asylpolitik gerne der SVP an – zuletzt bei der Einschränkung des Schutzstatus für Geflüchtete aus der Ukraine.

Ritters Wahl würde nicht zuletzt die sogenannte Bauernstaatsideologie stärken. Diese legitimiert in der Schweiz seit dem 19. Jahrhundert eine reaktionäre Politik als natürliche Ordnung. «Schweizerart ist Bauernart» lautete das Motto von Ritters Vorbild, dem früheren Bauernpräsidenten Ernst Laur. Wer nicht über ihren Stallgeruch verfügt – Arbeiter:innen, Linke, Städter:innen, Queere, Ausländer:innen –, gehört in diesem Schweizbild nicht zur Gesellschaft. Bäuer:innen, die Ritter in Umweltfragen widersprechen, auch nicht. Sie alle dürfen ignoriert oder diszipliniert werden.

Bei der Ersatzwahl in der Frühlingssession steht das Parlament vor der Entscheidung, ob es im Bundesrat die Visionslosigkeit und das Dominanzgebaren Einzelner weiter stärken will – oder nicht. Für eine breite Auswahl wären nach der pitoyablen Darbietung der Mitte-Partei auch Kandidaturen aus anderen Parteien wünschenswert. Die Fragen an die Kandidat:innen bei den Hearings liegen nahe: Was bedeutet für Sie Macht? Warum suchen Sie diese? Können Sie Macht auch teilen?