Bundesratswahl: Ein Ritter stürzt vom hohen Ross

Nr. 11 –

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Es war ein Moment der grossen Demütigung. Immer noch um ein Lächeln bemüht, sackte Markus Ritter nach der Verkündigung seiner krachenden Niederlage leicht in seinem Nationalratssessel zusammen. Der Sieger des Tages, der selbst nicht der Bundesversammlung angehört, wurde von draussen in den Saal geleitet, strahlend. Tosender Applaus auf den Tribünen.

Der neue Bundesrat, er heisst also Martin Pfister. 134 Stimmen holte er bereits im zweiten Wahlgang, deutlicher wärs kaum gegangen. Gewettet hätte auf den Mann mit der grossen Brille indes vor einigen Wochen fast niemand. «Pfister Who?» lautete die gängigste Reaktion auf seine Bewerbung um das Bundesratsamt. Der Zuger Gesundheitsdirektor ohne Verbindung ins nationale Parlament galt als Alibikandidat einer verzweifelten Mitte-Partei – die ja tatsächlich händeringend nach Kandidat:innen für das Bundesratsticket gesucht hatte.

Für Bauernpräsident Ritter, so war das geplant, sollte diese Bundesratskampagne eigentlich zum Selbstläufer werden. Er sitzt seit 2011 im Nationalrat und gilt dort als Strippenzieher und einflussreicher Machtpolitiker. Doch während des Wahlkampfs wurde immer deutlicher, mit welchen Mitteln sich Ritter seine Macht sichert. Weggefährt:innen berichteten in den Medien von Grossspurigkeit, Arroganz und einem Hang zur Disziplinierung. Nach den Hearings mit den Fraktionen sprach Ritter gerne vom Applaus, den er erhalten habe. Immer war er überzeugt, selbst überzeugt zu haben und überhaupt der richtige Mann zu sein, um im Verteidigungsdepartement VBS aufzuräumen, die Dinge endlich richtig anzupacken.

Verloren hat Ritter das Rennen am Ende also vor allem gegen sich selbst, er ist vom hohen Ross gestürzt. Verscherzt haben soll er es sich durch einen herablassenden Auftritt beim Frauendachverband Alliance F insbesondere auch mit den bürgerlichen Frauen. Dass Ritter nicht durchmarschiert ist – es ist gerade in dieser von Machos regierten Welt zweifellos eine gute Nachricht.

Doch ist auch ein Bundesrat Pfister eine gute Nachricht?

Übernehmen muss der neue Bundesrat höchstwahrscheinlich ausgerechnet das VBS, und das in einer Welt, die brennt. Rundherum rüsten sich die europäischen Länder für eine geopolitische Zeitenwende, während die Schweiz sich bislang vor allem in Duckmäusertum übt. Wie sie sich künftig an der europäischen Sicherheitsarchitektur beteiligen will, ist die derzeit drängendste Frage, die die Schweizer Regierung beantworten muss.

Pfister unterscheidet sich dabei in den Antworten durchaus von Markus Ritter. Während der SVP-nahe Bauernpräsident die Armee definitiv zurück ins Reduit beordert hätte, ist Pfister weniger stark isolationistisch geprägt, offener für Kooperationen mit Europa und der Nato. Er wirkt in seinen Interviews auch demütiger vor der Komplexität der Welt, weniger selbstbezogen, überlegter. Im VBS dürfte er wohl im Grossen und Ganzen den Kurs seiner Vorgängerin Viola Amherd weiterführen, die die Armee hochgerüstet und gleichzeitig eine vorsichtige Annäherung an die Nato versucht hat. Sofern nicht doch noch ein amtierendes Mitglied des Bundesrats das VBS übernimmt: Zu gewinnen gibt es im Departement immerhin eine Möglichkeit zur Profilierung.

In seinem Heimatkanton Zug ist Regierungsrat Pfister als ein typischer Vertreter der Zuger Mitte bekannt. Einer Mitte, die etwas urbaner und weltoffener daherkommt als Ritters Rheintaler Milieu, die aber unterm Strich den Status quo verteidigt: Privilegien, Tiefsteuern, Schuldenbremse. Im Bundesrat wird Pfister die rechte Mehrheit um Karin Keller-Sutter und Albert Rösti stärken, die jede Investition in eine soziale und ökologische Zukunft bremst. Kaum zu erwarten ist von ihm auch ein Engagement für eine echte aussenpolitische Zeitenwende, bei der die Schweiz sich den negativen Auswirkungen ihrer Rolle als Rohstoffdrehscheibe und als Hafen für Oligarchengelder stellen würde. Mit der Wahl von Pfister fällt die Frauenquote in der Regierung zudem auf ein historisches Tief.

In gutschweizerischer Manier bedeutet seine Wahl beides: Sensation und Stillstand.