Donald Trump: Chaos als Strategie
Wie nennt man es, wenn eine Regierung gezielt Gesetze bricht und die Gewaltenteilung untergräbt? Wenn sie Bürgerrechte, Wissenschaftsfreiheit und Medien bekämpft, sodass demokratische Mechanismen immer weniger greifen? Wenn rechtsradikale Privatunternehmer plötzlich das Land lenken, ohne jegliche parlamentarische Legitimation?
Putsch, Verfassungskrise, das sind die treffenden Begriffe. Und so sollte man das, was derzeit in den USA passiert, auch verstehen. Die grösste Industrienation der Welt, in der Macht und Ressourcen sowieso schon abenteuerlich ungerecht verteilt sind, wandelt sich derzeit in einen unverhohlen autoritären Staat.
Donald Trump regiert nach der Devise «shock and awe» (Schrecken und Ehrfurcht), also durch bewusste Überwältigung. Nie zuvor hat ein US-Präsident in kurzer Zeit so viele Verfügungen erlassen. Viele davon wirken bereits, etwa jene zur Abriegelung des Landes. Andere Dekrete wurden gerichtlich gestoppt, beispielsweise der Versuch, das Recht auf die US-Staatsbürgerschaft per Geburt abzuschaffen. Die angekündigten Strafzölle gegen Mexiko und Kanada wiederum hat Trump kurzerhand selbst zurückgenommen, nachdem die Regierungen dieser Länder versprochen haben, ihre Grenze zu den USA schärfer zu bewachen. Generell setzt Trump auch aussenpolitisch auf Eskalation: Er heizt den Handelskrieg mit China weiter an und schickt Europa entsprechende Warnungen; er arbeitet an der Einverleibung Grönlands, droht dem Iran mit Vernichtung und will den Gazastreifen ethnisch säubern und übernehmen. «Shock and awe» in fast alle Richtungen, mit katastrophalen Konsequenzen für Millionen von Menschen.
In den USA herrscht das Chaos. Doch Chaos darf man nicht mit Planlosigkeit verwechseln. Chaos ist bei diesem Regime Teil der Strategie. Die neue US-Regierung hat in den vergangenen zwei Wochen staatliche Institutionen demontiert, unzählige Beamt:innen entlassen, Tausende Websites mit wichtigen Informationen, etwa zur Gesundheitsversorgung, gelöscht. Für die Entwicklungsbehörde USAID und das Bildungsministerium ist eine komplette Schliessung vorgesehen, obwohl es dafür einen parlamentarischen Beschluss bräuchte. Man kommt bei den wahnwitzigen Vorgängen gar nicht hinterher. Und je weniger die Justiz, progressive Kräfte, Medien und die allgemeine Öffentlichkeit hinterherkommen, desto mehr kann Trump womöglich durchsetzen. Wenn am Ende nur die Hälfte der Verfügungen standhält, wäre das für ihn ein Erfolg. Selbst gescheiterte Dekrete erfüllen einen Zweck: Sie rauben der Opposition Energie, lenken und schrecken ab, produzieren ein Klima der Ungewissheit und Ohnmacht.
Trump hat im Wahlkampf nie verheimlicht, welche Politik ihm vorschwebt. Die Denkfabrik Heritage Foundation lieferte mit ihrem «Project 2025» eine detaillierte Agenda. Also wusste man eigentlich, was unter Trump 2.0 passieren würde. Und trotzdem hat es etwas Schwindelerregendes, wenn nun immer mehr konkrete Details aus dem Inneren des Regierungsapparats berichtet werden. Angestellte der Behörde National Science Foundation durchkämmen wissenschaftliche Arbeiten, ob dort Begriffe wie «diverse» oder «trauma» enthalten sind, was zum Verlust staatlicher Unterstützung führen könnte. Im Pressezentrum des Pentagons müssen derweil mehrere grosse Medien ihren Schreibtisch räumen. Wissensproduktion verschiedener Art ist in Gefahr.
Unter den vielen alarmierenden Entwicklungen sticht eine heraus: Wie Ende vergangener Woche enthüllt wurde, hat Elon Musk mittlerweile Zugang zum Zahlungssystem des Finanzministeriums und zu anderen zentralen Behörden. Der reichste Mann der Welt, der die Unternehmen SpaceX, Tesla und X führt, kann nun auf sensible Daten wie Sozialversicherungsnummern zugreifen und hat Einsicht in Verträge zwischen dem Staat und anderen Konzernen, was ihm gigantische Wettbewerbsvorteile bringt. Im schlechtesten Fall könnten Musk und sein Team, das überwiegend aus unerfahrenen Softwareingenieuren Anfang zwanzig besteht, sogar auf einen Schlag staatlich genehmigte Zahlungen und Programme beenden. Die Frage wäre dann, wer sich durchsetzt: die Allmachtsfantasien eines Unternehmers oder die Verfassung.