Einstellung von USAID: Das Ende der Softpower
Kein Dekret Donald Trumps hat in so kurzer Zeit so viel Schaden angerichtet wie die Zerschlagung der Hilfs- und Entwicklungsagentur USAID. Was bezweckt er damit?
«Die humanitäre Versorgung steht vor dem Zusammenbruch», verkündet das Schweizer Hilfswerk Heks. «Wir stehen vor einer noch nie dagewesenen Herausforderung», schreibt das Kinderhilfswerk Terre des hommes. Und Andreas Missbach, Geschäftsführer des entwicklungspolitischen Thinktanks Alliance Sud, sagt: «Es herrscht totale Unsicherheit, wie es weitergeht.» Der Entscheid des frisch angetretenen US-Präsidenten Donald Trump, die staatliche Hilfs- und Entwicklungsbehörde USAID in ihrer jetzigen Form zu zerschlagen, hat rund um den Globus Erschütterungen ausgelöst.
Die USA sind der mit Abstand grösste staatliche Geldgeber für lebensrettende Hilfsprogramme. Trumps Beschluss hat sofortige Folgen: Auf der ganzen Welt sind die Beschäftigten von Hilfsprojekten vom Geldfluss abgeschnitten, Lieferketten für Nahrungsmittel und Medizin unterbrochen, Hunderte Verträge gekündigt worden. Die Versorgung von zwanzig Millionen Menschen mit HIV-Medikamenten droht zu versiegen, Nahrung für unterernährte Säuglinge auszugehen. Ungezählte Gesundheitseinrichtungen müssen schliessen.
«Massenkonfusion und Chaos»
Als Ziel hat die US-Regierung angekündigt, die Zahl der USAID-Angestellten von rund 10 000 auf gerade mal 600 zu schrumpfen. Zudem wurde die bis anhin unabhängige Behörde dem Aussenministerium unterstellt. Rechtmässig ist das nicht: Das Parlament müsste über solche Angelegenheiten entscheiden. Die Gewerkschaft der Staatsangestellten hat denn auch Klage gegen die Massenentlassung eingereicht, ein Bundesrichter diese vorläufig ausgesetzt.
US-Aussenminister Marco Rubio hat inzwischen erklärt, dass lebensrettende Programme weiterfinanziert werden sollen. NGOs müssten eine entsprechende Genehmigung beantragen. Allerdings zeigt sich, dass das System nicht funktioniert, wie Hilfswerkvertreter:innen beklagen: «Kontaktpersonen sind nicht mehr erreichbar, E-Mails funktionieren nicht mehr», sagt Missbach. Das über Jahrzehnte aufgebaute institutionelle Wissen sei weg, schreibt die «New York Times», unter den Angestellten herrsche «Massenkonfusion und Chaos».
2023 hat USAID über 44 Milliarden US-Dollar ausgegeben, davon etwa 10 Milliarden für Nothilfe und 3,3 Milliarden im Kampf gegen HIV/Aids. USAID ist aber auch wichtig bei längerfristig angelegten Projekten, etwa beim Aufbau erneuerbarer Energiesysteme oder bei Bildungsprojekten für Frauen und Minderheiten. Besonders stark war USAID auch in der Ukraine engagiert, wo es für den Wiederaufbau oder die Versorgung von Verletzten bezahlte.
Mit ihrem Kampf gegen die Entwicklungszusammenarbeit und staatliche Hilfeleistungen steht die neue US-Regierung freilich nicht alleine da. Das Schweizer Parlament hat zuletzt beschlossen, schon in diesem Jahr 110 Millionen Franken einzusparen. Auch Länder wie Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Schweden haben essenzielle Kürzungen angekündigt oder bereits beschlossen. So gesehen liegt Trumps Entscheid im Trend – er radikalisiert diesen jedoch, was andere Staaten wiederum als Legitimation sehen könnten, nachzuziehen.
Harte Machtausübung
Die Zerschlagung von USAID zeigt, wie Präsident Trump mit der Hilfe von Multimilliardär Elon Musk bestehende Strukturen umzupflügen trachtet. Musk nannte USAID eine «kriminelle Organisation, die sterben muss». Das US-Aussenministerium schreibt, alle US-Programme hätten fortan drei Fragen zu beantworten: «Macht es Amerika sicherer? Macht es Amerika stärker? Macht es Amerika wohlhabender?»
Tatsächlich war USAID immer schon wesentlicher Bestandteil der US-Aussenpolitik, ein Instrument der Softpower – also der «weichen» Machtausübung. Es ging immer auch darum, für die USA zu werben und freundlich gesinnte Gruppierungen und Staaten zu unterstützen; anfänglich im Kampf gegen den Kommunismus, später vermehrt, um wirtschaftliche Interessen abzusichern. Selbst konservative Politiker:innen sind deshalb vom aktuell rabiaten Vorgehen irritiert, zumal etwa die heimische Landwirtschaft immer stark von Nahrungsmittelkäufen durch USAID profitiert hat.
Für Trump und Musk ist USAID jedoch ein Preis, den sie mit dem Wahlgewinn einheimsen: Sie können behaupten, Steuergelder zu sparen und «woke» Ausgaben zu eliminieren. Sie können Klimaprojekte stoppen und damit der fossilen Industrie einen Gefallen tun. Sie können die evangelikalen Wähler:innen beglücken, indem sie Programme für Familienberatung und Schwangerschaftsverhütung kappen. Was sie aber vor allem können, ist harte Machtausübung: Sie setzen Organisationen und Staaten unter Druck, weil sie es jetzt sind, die entscheiden, was auf der Welt noch unterstützt wird und was nicht.