Pop: Knisternd schlicht

Wie weiter nach einem bejubelten Debüt? Den Sound stetig geradeaus entwickeln oder doch umlenken? Auf «Versions of Modern Performance» (2022) spielten Horsegirl lärmigen Indierock mit Grunge-Anleihen, auf dem zweiten Album, «Phonetics On and On», verabschieden sie sich jetzt von der starken Verzerrung. Nora Cheng, Penelope Lowenstein und Gigi Reece – Anfang zwanzig und verwurzelt in Chicagos DIY-Szene – spannten dafür mit der prominenten Musikerin und Produzentin Cate Le Bon zusammen.
Der neue Sound klingt reduzierter: E-Gitarren, Bass und stete Drums bestimmen die elf Songs, mal blitzen Synths oder Staccato-Violinen auf. Da-da-das und La-la-las reihen sich aneinander, Tonfolgen und Songzeilen wiederholen sich. Mutig, wie sich Horsegirl dem Stilmittel der Wiederholung so konsequent verschreiben. Das gleichmässige Traben wird beim Hören mitunter anstrengend, manchmal meldet sich die Ungeduld – ändert sich die Landschaft hier noch mal? Doch in der konsequenten Reduktion offenbart sich eine Besonderheit dieses Albums: Hier ist jedes Element gleichwertig, keine Hauptfigur drängt nach vorne – die Gesangssilben und zarten Harmonien verschwimmen mit den rollenden Drums und Gitarren. Inhaltlich lenkt nichts ab, gemurmelte Lyrics bleiben fragmentarisch und werfen Schlaglichter aufs Erwachsenwerden, Fehlermachen, Nebeneinanderschlafen.
Dennoch verstehen Horsegirl, Abwechslung exakt so zu dosieren, dass das Album nicht starr wirkt. Zu den herausragenden Momenten gehören «Rock City» mit variierenden Taktarten, das energiegeladene, an Klatschspiele auf dem Schulhof erinnernde «2468», das langsame Liebeslied «Julie». Erstaunlich warm: «Frontrunner» mit akustischer Gitarre. Insgesamt klingt «Phonetics On and On» erfrischend aufgeräumt und mehr nach Indiepop als sein Vorgänger. Das Trio zeigt darauf eine unaufgeregte Slacker-Attitüde: Es verlässt sich auf das Pure, ohne Tricks und Effekte, seine Songs entwickeln dadurch eine selbstbewusste Kraft.