Bundesratswahlkampf: Der dritte SVP-Bundesrat

Nr. 8 –

Markus Ritter will für Die Mitte in den Bundesrat. Doch seinen Aufstieg hat er vor allem der SVP zu verdanken. Die Stationen einer engen Beziehung.

Markus Ritter und Esther Friedli bei der Viehschau in Salez Sennwald
Zusammen von Viehschau zu Viehschau: Markus Ritter und Esther Friedli 2023 in Salez Sennwald, St. Gallen. Foto: Daniel Ammann

Breitbeinig grinst Markus Ritter in die Kamera. Hinter ihm der Alpstein. Neben ihm Esther Friedli, die eine Kuh umarmt. Das Bild stammt aus dem St. Galler Ständeratswahlkampf Anfang 2023, bei dem sich SVP-Kandidatin Friedli am Ende durchsetzte – mit wackerer Unterstützung von Markus Ritter, der mit ihr von Viehschau zu Viehschau tourte.

Nun also ist Ritter der Kandidat. Nach Viola Amherds Rücktritt und einer blamablen Absageflut bei der Mitte hat er seine Chance ergriffen und will für seine Partei in den Bundesrat. Die Gegenleistung aus dem Toggenburg kam prompt: Toni Brunner, Ehemann von Esther Friedli und ehemaliger SVP-Präsident, gab kürzlich in seiner Kolumne im «St. Galler Tagblatt» eine Wahlempfehlung für Ritter ab. Dieser sei etabliert und fähig, schrieb Brunner. «Wäre ich Mitglied im Parlament, er hätte meine Stimme, unbestritten.»

«Sagenhafte Zusammenarbeit»

Ritters Paktieren mit Friedli ist nur ein Beispiel, wie sich der Bauernpräsident seit Jahrzehnten immer wieder der SVP angedient hat. Sein Aufstieg geschah im Windschatten der rechten Scharfmacher:innen: Während die SVP zur grössten Partei der Schweiz heranwuchs, hat sich Ritter mittels geschickter Allianzen vom Stadtrat der kleinen St. Galler Gemeinde Altstätten zum einflussreichen Nationalrat und Bauernpräsidenten gemausert.

Ritters politische Karriere beginnt, als er 1993 mit nur 25 Jahren in den Stadtrat von Altstätten gewählt wird. In der bäuerlich geprägten Kleinstadt mit gut 10 000 Einwohner:innen dominiert traditionell die CVP, für die auch der gottesfürchtige Bauernsohn Ritter in die Stadtregierung einzieht. Doch immer wieder zeigen sich Affinitäten zur äusseren Rechten. Etwa als Ritter im Jahr 2008 bei den Gesamterneuerungswahlen des Stadtrats entgegen der Parteilinie den SVP-Kandidaten unterstützt. Christoph Mattle, einst kantonaler CVP-Sekretär sowie Gatte der langjährigen Altstätter CVP-Stadträtin Margrit Mattle-Lindegger, sagt: «Ritter hat im Stadtrat immer wieder für Ärger und Konflikte gesorgt, weil er sich für eigene und für die Interessen seiner Klientel eingesetzt hat.»

Mattle beschreibt Ritter so, wie das auch von anderen Weggefährten zu vernehmen ist: Er sei schon immer ein «Machtmensch» gewesen. Habe andere gerne dominiert. «Er schnorret, schimpft, macht Leute runter.» Überdies habe Ritter immer schon die Fähigkeit gehabt, für die Erreichung seiner Ziele «Leute um sich zu scharen». Ähnlich habe sein 2023 verstorbener Bruder Werner Ritter gehandelt, sagt Mattle. In Altstätten war dieser als bissiger und rücksichtsloser Anwalt bekannt.

2002 bekämpfen die Ritter-Brüder im Interesse der Landwirt:innen und Grundstückbesitzer:innen das kantonale Wasserbaugesetz, wie das «St. Galler Tagblatt» unlängst in einem kritischen Porträt aufrollte. Ein Engagement, das ihnen nicht nur das Lob der damaligen SVP-Nationalrätin Jasmin Hutter für die «sagenhafte Zusammenarbeit» einbrachte. Mit seinem Einsatz empfahl sich Markus Ritter auch beim St. Galler Bauernverband, dessen Präsidium er 2005 übernahm.

Die Nullerjahre sind die Jahre, in denen die SVP im Kanton St. Gallen rasant aufsteigt. Ritter habe das wohl früh realisiert, sagt ein Wegbegleiter, der anonym bleiben will. «Ich hatte den Eindruck, dass er damals gemerkt hat, dass es für ihn etwas zu holen gibt, wenn er mit der SVP zusammenarbeitet. Ein gewisses Sensorium dafür hatte er schon immer.»

Mission Machtausbau

Als kantonaler Bauernpräsident gewinnt Ritter an Einfluss. 2011 gelingt ihm beim dritten Versuch die Wahl in den Nationalrat. Und auch diese verdankt er indirekt der SVP: Seinen Listenplatz erhält er nur, weil der damalige CVP-Nationalrat Thomas Müller vor den Wahlen zur SVP wechselt. Das Muster, das sich bei Ritter seit seiner Wahl in den Nationalrat erkennen lässt: Er macht Deals. Im Parlament schliesst sich der 2012 zum nationalen Bauernpräsidenten Gewählte mit den Vertreter:innen der grossen Wirtschaftsverbände zusammen, die ihm garantieren, dass sie die Subventionen der Landwirt:innen nicht angreifen. Währenddessen wirbt Ritter wiederum bei seiner Basis für die Anliegen der rechten Wirtschaftsvertreter:innen, etwa gegen die Konzernverantwortungsinitiative.

Zwar funktioniert die Allianz nicht immer: So stimmt im März 2024 ein grosser Teil der Landwirt:innen trotz gross angelegter Gegenkampagne des Bauernverbandes für die 13. AHV-Rente. Dennoch trägt sie Früchte. Der bislang grösste Erfolg des Zusammenschlusses sind die Wahlen 2023. Bauernverband, Economiesuisse, Arbeitgeberverband und Gewerbeverband fahren eine gemeinsame Kampagne unter dem Motto «Perspektive Schweiz». Das Resultat: Die SVP gewinnt neun Sitze dazu, die Landwirt:innen sind seither mit zwanzig statt zuvor zwölf Sitzen im Parlament vertreten.

Wetteifern mit rechten Hardlinern

Im Jahr 2024 düpiert Ritter seine Partei im Kanton St. Gallen mit einer neuerlichen SVP-Anbiederung. Bei den Regierungsratswahlen unterstützt er die SVP bei ihrem Angriff auf den zweiten SP-Sitz, entgegen der Direktive seiner Kantonalpartei, die offiziell Stimmfreigabe beschliesst. Ritter tritt offensiv für «sechs bürgerliche Regierungsräte» ein, mobilisiert Wirtschaftsvertreter:innen für die SVP. Für einmal scheitert Ritter, der SP gelingt die Verteidigung ihrer zwei Sitze. SP-Kantonalpräsidentin Andrea Scheck sagt im Rückblick zu Ritters Manöver: «Das war schon ein sehr ungewöhnliches und ärgerliches Vorgehen.»

Kurz vor den Bundesratswahlen posiert Taktiker Ritter für die Medien vor einer Panzersperre der Armee. Es ist ein symbolträchtiges Bild, das Schlagkraft ausstrahlen soll: Hier kommt der Mann, der aufräumen wird im Militärdepartement. Doch ob Ritter am 12. März tatsächlich Bundesrat wird, entscheidet sich auch an der Frage, ob die Parlamentsmehrheit einen dritten SVP-Bundesrat tolerieren wird – oder zumindest einen Mann, der sich nur in Nuancen von der «Volkspartei» unterscheidet.

Ritter streitet dies zwar ab und betont: Er stimme statistisch sehr oft mit der Mitte-Partei und fühle sich äusserst wohl in seiner Fraktion. Doch es sind die SVP-Kernthemen, die der Rheintaler mitträgt: Offensiv kämpft Ritter im Parlament gegen ökologische Vorschriften, trägt die Sparprogramme und die Armeeaufrüstung mit und eifert in der Asylfrage mit den SVP-Hardliner:innen um die Wette. Kürzlich gehörte er zu den Mitte-Abweichler:innen, die der Verschärfung des Schutzstatus S für aus dem Krieg geflohene Ukrainer:innen zum Durchbruch verhalfen. Der Vorstoss stammte von Esther Friedli.