Ungültige Ständeratswahl: Nicht Schaffhauser genug
Schaffhausen ist ein Kanton, den man rasch aus Versehen verlässt. Knapp 300 Quadratkilometer, einige Dörfer und bloss eine kleine Stadt, die am Kantonsrand klebt, vom zürcherischen Feuerthalen nur durch den Rhein getrennt – 36 Zugminuten von der Stadt Zürich entfernt. Sein ganzes Leben hatte der ehemalige Stadtrat und SP-Ständerat Simon Stocker in Schaffhausen verbracht, dann zog er nach Zürich, weil seine Frau eine Stelle in Lenzburg antrat, 20 Zugminuten weiter. Wegen Arbeit und Sozialleben mietete Stocker eine kleine Wohnung in Schaffhausen dazu, wurde im November 2023 zum Ständerat gewählt und siedelte mit Frau und Kind zurück an den Rhein.
Nun wurde eine Stimmrechtsbeschwerde aus dem Umfeld des damals abgewählten Thomas Minder vom Bundesgericht gutgeheissen. Im Urteil ist von der «Absicht dauernden Verbleibens» die Rede, davon, wo Stocker schlief, seine «stärksten Beziehungen» hatte (das ist natürlich die Kernfamilie). Ständeräte müssten Abgeordnete des Kantons sein, das entspreche der aufklärerischen Idee der Selbstregierung des Volkes. Zum Zeitpunkt der Wahl habe Stocker die kantonale Wählbarkeitsvoraussetzung der Wohnsitzpflicht nicht erfüllt.
Man kann nun darauf verweisen, dass das jeder Flexibilität von Lebensentwürfen spottet, in denen beide Eltern arbeiten. Und man kann sich die Provinzialität der Schaffhauser Wahlordnung vergegenwärtigen – oder gleich dieses Landes an sich: 36 Minuten im Zug, und schon ist man nicht mehr Kantönler genug, selbst wenn einen die Bevölkerung selbstregierend gewählt hat. Schon hat man die der Schweiz in ihrer Migrations- und Mobilitätsfeindlichkeit so heilige Sesshaftigkeit aufgegeben. Die Verbundenheit zur heimischen Scholle ist eben immer noch der Kern des reaktionären Konservatismus, man muss sich ja nur mal diesen Ständerat ansehen.
Stocker jedenfalls ist inzwischen wieder ganz schaffhauserisch, aussen und innen, subjektiv und objektiv, wie man juristisch sagt – er wird die nun angeordnete Ersatzwahl unzweifelhaft gewinnen.