Auf allen Kanälen: Auf den braunen Leim gegangen
Eine SRF-Reportage über die rechtsextreme Junge Tat verheddert sich zwischen Gonzo, Imagefilm und rechten Diskursstrategien.

«Stehe ich auf der falschen Seite?», fragt sich der SRF-Journalist, als er die Verhaftung des rechtsextremen Vordenkers Martin Sellner – die dieser medienwirksam provoziert hatte – an der deutsch-schweizerischen Grenze beobachtet hat. Die Antwort gibt sich der Journalist gleich selbst: «Aktionen wie die heute haben einen Zweck, sie wollen Aufmerksamkeit generieren.» Die Reflexion über die eigene Rolle ist einer der wenigen gelungenen Momente der Reportage im SRF-Format «rec.» zur rechtsextremen Gruppierung Junge Tat.
Wie verhindern, dass das eigene Format zur Bühne für menschenverachtende Ideologien wird? Mit Reflexion allein ist es nicht getan. Bereits der Titel «Zwischen Rassismus und Meinungsfreiheit» inszeniert ein Dilemma, wo doch gar keines besteht. Und in dieser Manier geht es weiter. Gleich zu Beginn gibts eine gute Portion Junge-Tat-Ästhetik. Wir sehen martialische Bilder, während der Journalist die «spektakulären Aktionen» aus dem Off kommentiert, mit der die Gruppe ihr «Gedankengut» verbreite: körperliche Ertüchtigung, maskierte Männer, Fackelzüge. Spektakulär? Faschistoid! Gedankengut? Gewaltideologie! Praktisch für SRF: Das Propagandamaterial der Jungen Tat ist bereits Youtube-tauglich aufbereitet. Im Gegenzug produziert SRF Bilder, die im nächsten Imagefilm der Neonazis gut aufgehoben wären: Wanderung, Zmittag, Handörgeli, Kameradschaft.
«Nur zuhören»
In einer knappen halben Stunde lernen wir dann viel über die Selbstinszenierungskraft der Jungen Tat, aber zu wenig über ihre völkische Ideologie. Immerhin kommt zur Mitte des Films der Fachredaktor Extremismus von SRF zu Wort. Er zeichnet den Weg der Jungen Tat aus der Neonaziszene nach, versucht, am Beispiel des Begriffs «Remigration» deren Sprache auseinanderzunehmen, und benennt den Kern der Ideologie: «astreiner Rassismus». Und er sagt auch den Satz, hinter dem sich die vielen nicht kontextualisierten Passagen der Reportage verschanzen können: «Man muss ihnen nur zuhören, dann wird klar, was sie wollen.»
Doch die Sprache der Protagonisten verlangt eben doch nach journalistischer Einordnung, etwa beim Begriff «Ethnopluralismus». Der Begriff gilt als zentraler ideologischer Baustein der neuen Rechten – und als gefährlich anschlussfähig, weil er sich als vermeintliche «Vielfaltsideologie» tarnt, tatsächlich aber Segregation fordert. Integration? Unmöglich. Migration? Bedrohlich. Die Strategie dahinter: Der klassische biologistische Rassismus wird durch eine «kulturelle Unvereinbarkeit» ersetzt – die Abwertung bleibt, lediglich das Vokabular erscheint harmloser.
Die Reportage geht gleich mehreren klassischen rechten Diskursstrategien auf den Leim. Der Täter-Opfer-Umkehr etwa – wenn sich die Junge Tat als widerständige Bewegung inszenieren darf, die sich doch nur gegen vermeintliche Angriffe wehrt. Der behaupteten Diskussionsbereitschaft – wenn extrem rechte Akteure sich dialogoffen geben, um anschlussfähig zu wirken, während sie in Wahrheit unverhandelbare ideologische Ziele verfolgen. Oder der Normalisierung durch Wiederholung. Damit bietet SRF selber Hand zur Verschiebung der Grenzen des Sagbaren, statt diese kritisch zu beschreiben.
Freudig verbreitet
Mehr als 200 Kultur- und Medienschaffende haben den Film in einem Brief an die Redaktion kritisiert. SRF habe mit der Reportage einer international vernetzten, extrem rechten Gruppierung eine unkritische Plattform geboten – ein Vorwurf, den nicht zuletzt die Junge Tat selbst bestätigt: Sie verbreitet den Film freudig in ihren Netzwerken.
Am Montagabend hat die «rec.»-Redaktion einen Beitrag veröffentlicht, in dem sie kritische Fragen zur Sendung diskutiert. Reflektieren und kontextualisieren ist immer gut, doch leider dient das mehrheitlich der Selbstverteidigung – flankiert von einem Journalismusprofessor, der den Beitrag «gelungen» findet. Gelungen wäre: zuerst einordnen und dann erst filmen – nicht umgekehrt.
Der Artikel «Die Schwiegersohn-Neonazis» in der WOZ Nr. 50/22 zeichnet den Weg der Jungen Tat nach.