Ein Traum der Welt: Kampfhahn in Leipzig

Nr. 14 –

Annette Hug liest zwischen Menschenmassen

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Aus Davao kommt nicht nur Rodrigo Duterte, Häftling in Den Haag, sondern auch Renren Galeno. Sie sagt auf einer Bühne der Leipziger Buchmesse, als junge Zeichnerin weit weg von der Hauptstadt habe sie sich direkt an internationale Verlage gewandt. Die seien offener als jene in Manila. Wenn sie schüchtern und witzig in ein Mikrofon spricht, kommen überraschend Leute zusammen. Sie weist auf Blockaden hin und öffnet neue Verbindungen.

Galenos Graphic Novel «Sa wala. Für nichts» ist soeben auf Deutsch erschienen. Ein Kampfhahn mit dämonischen Kräften stellt das Leben einer Familie auf den Kopf. Er ernährt sich zuerst nur von Katzen. In den Arenen des Hahnenkampfs spielt er dem Vater Geld ein: Das hilft, Spitalschulden abzuzahlen oder der Kleinsten einen Kopfhörer zu kaufen. Mit Musik in den Ohren hört sie nichts von geschlachteten Katzen.

Leute bleiben stehen, wenn Renren Galeno erzählt. Da passiert etwas Neues, da kommt eine von weit her und dockt sofort an. Sie nennt einen Mangastil und Autor:innen, die sie besonders mag, ein Teil des Publikums reagiert hocherfreut. Ein anderer Teil, zu dem ich gehöre, kann nachvollziehen, was sie über deutsche Reaktionen auf ihr Buch sagt. Hier spreche man schnell vom Kapitalismus, von seiner dämonischen Seite. Nicht so in Tschechien, da sei die Übersetzung als Beispiel für Dark Horror aufgenommen worden. In Frankreich sei ein Hahn noch mal was anderes, viel symbolischer.

Zum ersten Mal sehe ich ein Publikum, in dem sich die Hauptströmungen dieser Messe mischen. Tausende von Leuten drängen sich in Leipzig in die Mangahallen und zu den «New Adult»- und «Dark Romance»-Büchern. Sie bescheren der Messe einen Publikumsrekord. Unter Verlagen, die jetzt «traditionell» genannt werden, kursieren dunkle Statistiken: einbrechende Verkaufszahlen, Aussperrung der kleineren Verlage aus den grossen Buchhandelsketten. Für das Vorhaben, eine literarisch noch unbekannte Gegend zu lancieren, sind das schwierige Bedingungen. Aber es geschieht Unerwartetes: Jessica Zafra, Autorin, Journalistin und Retterin von Strassenkatzen, wird mitten in Leipzig von einer jungen Frau angesprochen. «Kommen Sie aus den Philippinen? Wunderbar, dass Sie jetzt da sind!» Die Passantin ist Mitorganisatorin eines Festivals zu Klima und Kultur, sie weiss viel über Taifune und will unbedingt mehr lesen von Autor:innen, die aus erster Hand davon schreiben. Wir können ihr Daryll Delgado empfehlen, deren Roman «Überreste» gerade in der deutschen Übersetzung von Gabriele Haefs erschienen ist.

Die Begegnung wirkt wie ein Antidot zur Warnung in Berlin. Einige der philippinischen Autor:innen sind dort schon am 22. März aufgetreten. Aber am selben Tag war in Berlin auch eine Neonazidemo angekündigt. Ortskundige Filipinas empfahlen, direkt an den Veranstaltungsort zu gehen und auf touristische Umwege zu verzichten. Sie sprachen aus Erfahrung. Man werde auf der Strasse angespuckt und geschlagen.

In Leipzig habe ich dann nachgelesen: Rund 850 Neonazis wollten durch den Berliner Stadtteil Friedrichshain marschieren, kamen aber nur hundert Meter weit. Mehr als 2000 Gegendemonstrant:innen blockierten ihnen den Weg. Dann mussten die Nazis irgendwie nach Hause und gingen durch die Stadt. Davor waren wir gewarnt worden.

Annette Hug ist Autorin und Übersetzerin, in Leipzig auch Moderatorin. Besonders fasziniert ist sie von Renren Galeno und ihrer Graphic Novel «Sa wala. Für nichts» (Dantes Verlag 2025. Übersetzung aus dem Englischen von Jens R. Nielsen).