Kost und Logis: Kollaps und Kleinfamilie
Bettina Dyttrich bereitet sich vor

Müssen wir uns darauf vorbereiten, dass die Zivilisation zusammenbricht? Spätestens seit sich der bekannte Klimaaktivist Tadzio Müller exzessiv mit dem Thema beschäftigt (siehe WOZ Nr. 47/24), diskutiert auch die deutschsprachige Linke darüber. Im Spätsommer soll in Brandenburg ein «Kollaps-Camp» stattfinden, ähnlich organisiert wie frühere Klimacamps. In Frankreich gibt es die «Kollapsologie» schon viel länger.
Ich verstehe Tadzio Müller, ich verstehe auch seine Kritiker:innen (siehe WOZ Nr. 51/24). Was mich stört, ist das Entweder-oder: als müssten wir uns entweder für globale Gerechtigkeit oder für solidarische Selbstorganisation entscheiden. Das lässt sich doch nicht trennen. Globale Gerechtigkeit muss der Leitstern bleiben, immer, auch wenn die Weltlage noch viel schlimmer wird. Da gebe ich Müllers Kritiker:innen recht. Und ja, das Wort «Preppen» ist wahrscheinlich zu sehr von rechtsextremen Rambos besetzt, als dass es sich noch von links aneignen liesse.
Aber wie manche Linke, gerade in Gewerkschaften, immer noch verdrängen, dass der Konsumstandard, der hier als normal gilt, die Welt zerstört und bald Geschichte sein könnte, finde ich ebenso fahrlässig.
Ich glaube allerdings, das «Vorbereiten» wird auch von links zu wenig strukturell gedacht. Es geht nicht ohne Politik. Die Infrastruktur für Nahrung, Wasser oder Energie resilienter zu gestalten, wäre die (dringende) Aufgabe von öffentlichen Institutionen. Das kann ein einzelner Haushalt nicht. Eine Gross-WG ist schon besser aufgestellt als eine Kleinfamilie, aber immer noch zu klein. Wer das weiterdenkt, landet schnell bei den selbstorganisierten 500-Personen-Nachbarschaften, die Hans Widmer alias P. M. und der Verein Neustart Schweiz schon lange propagieren – das ist auch die richtige Richtung.
Das Thema den Rechten zu überlassen, wäre auf jeden Fall falsch. Aber ich weiss nicht, ob aus der Angst vor dem Kollaps eine linke Bewegung werden kann. Es gehe darum, sich «alternative Begehrensstrategien für die neue Erde auszudenken», schreibt US-Politikwissenschaftlerin Cara New Daggett in ihrem «Petromaskulinität»-Essay über rechte, umweltfeindliche Männer.
Begehrensstrategien? Ich will Beeren direkt vom Strauch essen und befreundet sein mit den Leuten, die unsere Kartoffeln anbauen. Ich will seltsame Kleider herstellen aus der Wolle von Alpakas, die ich persönlich kenne. (Bei der Solaranlage auf dem Dach wird es schon schwieriger, denn ihre Rohstoffe kommen aus China.) Ich will lernen, gut zu mir und den anderen zu sein, aber nicht in teuren Kursen, sondern beim Wohnen und Arbeiten. Ich will öffentliche Grünflächen, auf denen ganz viel Essbares wächst. Ich will, dass die Flüsse genug Platz für Tiere, Hochwasser und mich haben. Ich will das alles, weil es gut ist. Und nicht als Vorbereitung auf den bösen «Tag X», der sowieso nicht ein einzelner Tag sein wird.
Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.