Franziskus und Lateinamerika: Das grosse Trauerspiel

Nr. 17 –

Rechte wie linke Präsidenten rühmen den verstorbenen Papst. Kuba jedoch bleibt diplomatisch kühl, und El Salvadors Staatschef schweigt.

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Gläubige jubeln Papst Franziskus bei seinem Besuch in Chile 2018 am Strand von Iquique zu
Bei seinem Besuch in Chile 2018 jubeln Gläubige Papst Franziskus am Strand bei Iquique zu. Es gab aber auch Bombenanschläge vor Kirchen. Foto: Imago

Als Papst Franziskus hat der gebürtige Argentinier Jorge Mario Bergoglio sein Heimatland nie besucht. Der seit 2023 amtierende rechtspopulistische Präsident Javier Milei hatte ihn einen «Hurensohn», einen «ruchlosen Charakter», den «Vertreter des Bösen auf Erden» und Ähnliches mehr genannt. Das Gerede von den Armen, wie es bei Päpsten üblich ist, ging Milei auf die Nerven. Trotzdem hat er nach dem Tod seines Landsmanns eine siebentägige Staatstrauer verhängt. Auf der Plauderplattform X rühmte er Bergoglios «unermüdlichen Kampf für den Schutz des Lebens vom Zeitpunkt der Befruchtung an». Bei diesem Papst findet jeder etwas, das er rühmen kann; radikale Abtreibungsgegner ohnehin.

Heuchelei …

Milei und Franziskus hatten sich längst wieder versöhnt. Bei seinem Besuch im Vatikan am 14. Februar vergangenen Jahres hatte der Präsident die gewünschten stürmischen Umarmungsfotos bekommen. Ihn und Papst Franziskus verband viel mehr als nur ein striktes Nein zum Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper. Milei findet die Militärdiktatur in Argentinien, unter der von 1976 bis 1983 mindestens 30 000 Menschen ermordet wurden, nicht besonders schlimm. Bergoglio war damals der Chef des Jesuitenordens in Argentinien und kam mit den Militärdiktatoren ganz gut zurecht. Zwei Armenpriester seines Ordens, die in den Folterkellern des Regimes gefangen gehalten wurden und überlebten, warfen ihm vor, er habe nichts für sie getan. Einer hat ihm das trotz Druck aus dem Vatikan ganz unkatholisch nie verziehen.

Auch im Nachbarland Chile hat sich Franziskus nicht nur Freund:innen gemacht. 2015 ernannte er Juan Barros zum Bischof von Osorno, obwohl der den Priester und verurteilten Kinderschänder Fernando Karadima deckte und bei etlichen seiner Verbrechen in dessen Schlafzimmer zugegen gewesen sein soll. Als es Proteste hagelte, nannte der Papst seine Gläubigen in Osorno «dumm». Bei einem Besuch in Chile im Januar 2018 gab es drei Bombenanschläge vor Kirchen, ausgeübt von linken Aktivist:innen – bei Papstreisen eher ungewöhnlich. Doch es dauerte noch einmal drei Monate, bis Franziskus sich entschuldigte. Er sei «nicht richtig informiert worden». Der linke Präsident Gabriel Boric verhängte nun drei Tage Staatstrauer und heuchelte auf X, Papst Franziskus habe «soziale Gerechtigkeit gelebt» und «Tag für Tag für Gleichheit gekämpft».

… und formelle Verbundenheit

Als erster lateinamerikanischer Papst der Geschichte hat Franziskus durchaus auch etwas bewegt. So soll seine persönliche Intervention dazu beigetragen haben, dass im Jahr 2014 die USA und Kuba inhaftierte Spione austauschten. Damit begann die Annäherung zwischen Kuba und den USA. Beim Papstbesuch in Kuba im September 2015 erwarteten viele kritische Worte. Franziskus traf sich mit Fidel und mit Raúl Castro. Was bei diesen Treffen geredet wurde, weiss man nicht. Die öffentlichen Auftritte waren der übliche päpstliche Pomp, ganz ohne politische Botschaft.

Trotzdem schien Franziskus Einfluss in Kuba zu haben. Im vergangenen Januar begann die Regierung auf sein Drängen hin, über 500 politische Gefangene zu entlassen. Zum Tod des Papstes blieb Präsident Miguel Díaz-Canel nichtssagend formell: «Wir erinnern uns mit grosser Verbundenheit an seine Kuba-Besuche und an seine freundlichen Worte über unser Land», schrieb er auf X.

In El Salvador trauern viele um den Verstorbenen. Franziskus hatte Erzbischof Óscar Arnulfo Romero, den 1980 von einem Killer der damaligen Militärregierung ermordeten Volkshelden, 2018 zum Heiligen erklärt. Auch sonst mischte er sich immer wieder in die Politik des Landes ein. Zuletzt rief er im Januar zum Widerstand gegen ein Gesetz auf, mit dem der rechtspopulistische Präsident Nayib Bukele internationalen Minenkonzernen Tür und Tor öffnete. Bukele ist ein exzessiver Nutzer der sozial genannten Medien. Zum Tod des Papstes blieb er ausnahmsweise stumm.