Kritik am Deal: «Das hat den Beigeschmack von Bestechung»
Die Vereinbarung zwischen der SRG und den privaten Verlagen gefährde die Unabhängigkeit der Medien, sagt David Roth. Der SP-Politiker und Gewerkschafter fordert neben der SRG weitere Service-public-Plattformen.
WOZ: David Roth, letzte Woche haben die SRG und der Verlegerverband VSM eine Vereinbarung getroffen: Damit die privaten Verlage die SVP-Halbierungsinitiative nicht unterstützen, macht ihnen die öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft zahlreiche Zugeständnisse. Wie beurteilen Sie die Vereinbarung, soweit sie bekannt ist?
David Roth: Sowohl vom Inhalt wie auch von der Form her ist sie höchst irritierend. Inhaltlich bedeutet sie einen Rückzug der SRG aus verschiedenen Bereichen. Beim Sport etwa will man kommerziell interessante Veranstaltungen den privaten Fernsehstationen überlassen. Das sind aber auch die Anlässe, die das breite Publikum interessieren. Auch die Beschränkung in den sozialen Medien lässt sich nicht nachvollziehen. Schliesslich erreicht SRF hier ein Publikum, das sich fernab der klassischen Medien informiert. Der Auftrag der SRG lautet, die Schweiz zusammenzubringen – doch diese Vereinbarung macht das Gegenteil.
WOZ: Und was stört Sie an der Form der Vereinbarung?
David Roth: Ich finde es sehr befremdlich, dass zu einem Zeitpunkt vor der Abstimmung über die Halbierungsinitiative private Marktakteure ihre Ansprüche an die SRG vorbringen können – und diese mit Verhandlungen über ihre Ausrichtung reagiert. Sie greift damit auch dem Parlament vor, wo die Diskussion über den künftigen Leistungsauftrag noch gar nicht begonnen hat.

WOZ: Immerhin hat die SRG mit der Vereinbarung erreicht, dass die privaten Verlage nun die Halbierungsinitiative der SVP bekämpfen wollen. Ist das nichts wert?
David Roth: Politiker:innen oder Anspruchsgruppen, die sich von Anfang an gegen diese Initiative eingesetzt haben, müssen sich für dumm verkauft vorkommen. Offenbar kann man bei SRF etwas herausschinden, wenn man sich nur laut genug gegen das Radio und das Fernsehen bemerkbar macht. Da fragt man sich schon, wie unabhängig die SRG-Sender sind, wenn sie sich aufgrund von politischer Erpressung derart ins Geschäft reinreden lassen. Und was heisst es für unsere Verleger, wenn die ihre Meinung ändern, bloss weil sie finanzielle Leistungen oder Sportrechte erhalten? Der Vorgang hinterlässt den Beigeschmack von Bestechung – und von Sich-bestechen-Lassen. Das muss die Öffentlichkeit beunruhigen.
WOZ: Bestechung ist ein harter Vorwurf an Medien, denen Unabhängigkeit das höchste Gut sein sollte. Wie begründen Sie ihn?
David Roth: SRG und Verleger wollen die Vereinbarung nicht veröffentlichen, obwohl sie diese bereits der Wettbewerbskommission zugestellt haben. Nicht einmal die zuständige Parlamentskommission, in der ich Mitglied bin, erhält sie. Dass aber an die Verlage direkt Geld fliesst, damit sie die Halbierungsinitiative ablehnen, lässt sich der Ankündigung entnehmen: Darin heisst es wörtlich, dass die SRG den Grossteil ihrer Onlinemarketingmittel künftig bei privaten Schweizer Medienhäusern investiert und nicht länger in den sozialen Medien. Auch mit der Abtretung der Sportrechte, die sich monetär beziffern lassen, kauft sich die SRG letztlich die politische Unterstützung.
WOZ: Die SRG wird sich herausreden, dass doch alle profitierten.
David Roth: Der Vertrag wurde fürs Erste nur mit dem Deutschschweizer Verlegerverband geschlossen. Und auch wenn die Onlinewerbung am Ende an alle gehen sollte: Profitieren werden vor allem die Konzerne. Bei der Abstimmung über das Medienförderungsgesetz lautete das Hauptargument der Gegner:innen, dass auch die Grossen subventioniert würden. Genau das könnte jetzt passieren: dass über die Hintertür Serafe-Gelder, die von den Leuten für eine öffentlich-rechtliche Institution bezahlt werden, an die Privaten weitergegeben werden.
WOZ: Medienminister Albert Rösti hat das Budget der SRG bereits auf dem Verordnungsweg um siebzehn Prozent gekürzt, jetzt kommt die Selbstbeschränkung der SRG. Ist die Halbierungsinitiative am Ziel, bevor über sie abgestimmt wurde?
David Roth: Auf jeden Fall erleben wir eine Fortsetzung von undemokratischen Prozessen: Die Kürzung hat Rösti beschlossen, bevor das Parlament über die Initiative beraten konnte. Das war zwar nicht illegal, widerspricht aber einem respektvollen Umgang zwischen den Institutionen. Nun erfolgt eine Einigung der SRG mit Privaten, obwohl auch hier zuerst das Parlament am Zug gewesen wäre.
WOZ: Sind Sie im Bundeshaus mit dieser Meinung alleine?
David Roth: Im Gegenteil, auch in den anderen Parteien zeigt man sich höchst irritiert über den Vorgang. Für mich ist klar, dass wir ernsthaft über einen zweiten Service-public-Dienst neben der SRG diskutieren müssen. Wenn die von sich aus meint, sie sei zu mächtig, dann drängt es sich auf, einen Teil ihres Budgets zu einer Alternative zu transferieren.
WOZ: Was meinen Sie damit?
David Roth: Es gibt andere Länder wie Deutschland, wo es zwei öffentlich-rechtliche Fernsehsender gibt. Aber wir müssen ja nicht mehr zwingend in den Kanälen von Radio und Fernsehen denken. Könnte es zum Beispiel nicht auch andere öffentlich-rechtliche Angebote in den Regionen geben? Sie dürften nicht gewinnorientiert sein, damit die Bevölkerung keine privaten Gewinne finanziert.
WOZ: Sie denken an regionale Newsplattformen?
David Roth: Ob regional oder national, es wäre in jedem Fall eine Bereicherung, wenn es mehr davon gäbe. Fürs Erste müssen wir aber die Halbierung der Gebührengelder abwenden. Dass es zusätzliches Geld für eine Alternative zur SRG gibt, das ist leider derzeit chancenlos.
David Roth (40) ist SP-Nationalrat für den Kanton Luzern und Bereichsleiter der Mediengewerkschaft Syndicom.