Film: Der Sinn liegt auf dem Gipfel

Nr. 22 –

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Still aus dem Film «Schäfer (Bergers)»
«Schäfer (Bergers)». Regie: Sophie Deraspe. Kanada/Frankreich 2024. Jetzt im Kino.

Vom kanadischen Montreal in die französische Provence: Für Mathyas (Félix-Antoine Duval) ist das mehr als eine Stadtflucht. «Ich komme nicht zurück!», erklärt der Marketingspezialist auf Abwegen, der auf dem Land einen Neuanfang als Schafhirte wagen und auch ein Buch schreiben möchte. «Du bist also ein Stadtmensch, der Hirte spielen will», verhöhnen ihn die wettergegerbten Schafhüter am Stammtisch, als der schlaksige Mathyas, aufgerüstet mit Hut, Tasche und handgefertigtem Hirtenmesser, seine Arbeitskraft anbietet.

Regisseurin Sophie Deraspe hat mit «Schäfer (Bergers)» den halb autobiografischen Roman «D’où viens-tu, berger?» von ebenjenem Aussteiger Mathyas Lefebure verfilmt. Am Filmfestival in Toronto wurde die kanadisch-französische Produktion als bester kanadischer Spielfilm ausgezeichnet. Ihr Film folgt dem «philosophierenden Hirten», wie Mathyas einmal genannt wird, bei seinem Ankommen im neuen Leben. Das gelingt in der ersten Hälfte mit konventioneller Gefälligkeit, weil Deraspe sich dem provinziellen, handarbeitsamen Kontext aus der Perspektive des zunächst naiv daherkommenden Städters mit all seinen Ambivalenzen nähert. Zwischen der Arbeit mit den Tieren wird da die Diskrepanz zwischen Lebensentwürfen in der Stadt und auf dem Land verhandelt, und auch die Folgen des Klimawandels und europäischer Gesetze klingen am Rand an.

Spätestens aber als Mathyas und die ebenfalls ausstiegswillige Beamtin Élise (Solène Rigot) die 800 Schafe einer Farmbesitzerin auf einen Berg treiben, um dort den Sommer zu verbringen, verliert der Film zusehends den Boden unter den Füssen. Der Aussteigerkitsch kapert die Erzählung, das junge Paar hat Sex auf der Alp und schreit vom Berg: «Ihr könnt uns mal mit euren Scheisskonventionen!» Mathyas, für den der «Sinn auf dem Gipfel» liegt, erzählt aus dem Off, dass ihre Körper den Bergen gehörten, samt Organen und Seele. Uff. Bald wünscht man sich sehnlichst, der Filmhirte würde sein Buch lieber nicht schreiben.