Kommentar von Kaspar Surber: Wie hältst du’s mit Bührle?
Das Kunsthaus will die Bührle-Kunstsammlung selbst untersuchen, bezahlen soll die Öffentlichkeit. Prominente Stimmen kritisieren den Plan.
Kein Zutritt für die Presse: Das hiess es am Montag, als die Zürcher Kunstgesellschaft, die das Kunsthaus betreibt, ihre Generalversammlung abhielt. Die Begründung: Man sei ein privater Verein. Einer allerdings, der von Stadt und Kanton jährlich rund vierzehn Millionen Franken Subventionen erhält und in dessen Vorstand auch SP-Stadtpräsidentin Corine Mauch sitzt. Und der, nachdem die Öffentlichkeit einen Prunkbau für die Kunstsammlung des Nazi-Waffenlieferanten Emil Georg Bührle mitfinanzierte, noch mehr Geld will: Drei Millionen soll die Stadt jetzt zahlen, damit das Kunsthaus die Provenienzen der Bilder erforschen und neue Ausstellungen gestalten kann.
So beantragen es Kunsthaus und Bührle-Stiftung in einer gemeinsamen Vereinbarung, die sie kurz vor der Versammlung publizierten. Diese bedeutet einen gewaltigen Rückschritt in der bisher erfolgten Aufarbeitung der Bührle-Geschichte.
Wie es hinter den Kulissen heisst, soll die Stiftung Druck aufgesetzt haben, die Sammlung abzuziehen. Das Kunsthaus habe auch deshalb nicht auf eine finanzielle Beteiligung der Stiftung an der Aufarbeitung gedrängt. Der Griff der Bührles in die öffentliche Schatulle war wohl auch naheliegend, weil kürzlich die familieneigene Bank IHAG nach Fehlspekulationen schliessen musste.
Überhaupt, das zeigt das vorliegende Resultat, machte sich Kunsthaus-Präsident und Blackrock-Vize Philipp Hildebrand mit den Bührles gemein: So will das Kunsthaus ganz allein untersuchen, ob Bilder aus der Sammlung während der NS-Verfolgung ihren Vorbesitzer:innen unter Zwang entzogen wurden. Die Bührle-Stiftung wiederum verspricht zum wiederholten Mal, sich an die international gängigen Prinzipien bei Rückgabeforderungen zu halten, will aber über die Rückgaben allein entscheiden. Kunsthaus und Stiftung glauben also weiterhin, ihre Probleme selbst lösen zu können – doch bezahlen soll die Allgemeinheit.
Damit schlägt der Kunsthaus-Vorstand alle Empfehlungen in den Wind, die der Historiker Raphael Gross, Direktor des Deutschen Historischen Museums, vor einem Jahr abgegeben hat. Beauftragt von einem runden Tisch, finanziert von der Stadt, nahm Gross eine unabhängige Vorprüfung der Provenienzen vor und formulierte zu klärende Forschungsfragen, die weit über die Herkunft der Gemälde hinausgehen. Für allfällige Restitutionen sollte eine Expert:innenkommission ein Prüfschema erarbeiten. Auch forderte Gross eine Diskussion über den Namen der Sammlung, falls sie überhaupt weiter in dieser Form gezeigt werden soll.
Entsprechend deutlich fällt nun die Kritik an der Vereinbarung aus. Der Israelitische Gemeindebund (SIG) etwa fordert, «dass die Forschung weiterhin unabhängig von Kunstgesellschaft und Stiftung fortgesetzt wird». Der SIG schlägt dafür das Forschungsteam von Raphael Gross vor. Er appelliert zudem an die Bührle-Stiftung, sich finanziell an der Aufarbeitung zu beteiligen. Auch Erich Keller, Autor des Bührle-Longsellers «Das kontaminierte Museum», betont, die Unabhängigkeit der Forschung sei von zentraler Bedeutung: «Deswegen kann eine solche Provenienzforschung nicht durch das Kunsthaus Zürich selbst erfolgen, die eng mit der Stiftung verflochten ist.»
Der Grüne Markus Knauss kündigt an, im Stadtparlament einen Antrag auf unabhängige Forschung zu stellen: Der runde Tisch solle erneut über die Forschungsvergabe entscheiden, neben der Stadt sollten sich weitere Akteure an der Finanzierung beteiligen. Auch er fände es wünschenswert, wenn Raphael Gross die weitere Arbeit übernehmen könnte. Ohne Druck aus der Öffentlichkeit, das zeigte sich in der Causa Bührle immer wieder, werden sich weder Stadt, Kunsthaus noch Stiftung bewegen. Da passt es immerhin, dass in Zürich bald Wahlkampf ist. Und, wie hältst du’s mit Bührle? Dieser Frage dürften die zahlreichen rot-grünen Kandidat:innen, die sich gerade für den Stadtrat und die Nachfolge von Corine Mauch warmlaufen, nicht ausweichen können.