Film: Und als Bonus einen Schokoriegel

Treffen sich eine Portugiesin und ein Pole in Schottland in einer Küche und trinken zusammen ein Peroni. Es klingt wie die Ausgangslage für einen Witz, aber hier ist das einfach nur das Maximum an Geselligkeit, das noch drinliegt neben dem Arbeitsalltag in der globalisierten Gig Economy. Die Portugiesin Aurora (Joana Santos) arbeitet im Lager eines riesigen Versandhandels vom Typ Amazon, wo sie mit dem Strichcodeleser in der Hand die bestellten Produkte aus den Regalen einsammelt. Und wenn sie besonders schnell war, darf sie sich als Belohnung einen Schokoriegel aussuchen.
Viel mehr geschieht tatsächlich nicht in «On Falling», darin besteht die gnadenlos stille Konsequenz dieses Films. Die portugiesische Regisseurin Laura Carreira hat ihren preisgekrönten Erstling in Glasgow gedreht, koproduziert von Sixteen Films, der Produktionsfirma von Ken Loach. Die Affinität ist offenkundig, sie zeigt sich im scharfen Blick auf die spätkapitalistische Arbeitswelt – aber fast interessanter ist, was Carreira anders macht als Loach. Kein Plot hier, kein kalkuliertes Drama mit emotionalen Ausschlägen, auch kein proletarisches Lehrstück vom Wert solidarischer Ermächtigung: «On Falling» ist ein maximal «flacher» Film, der nichts dramatisiert – und dadurch umso eindringlicher vor Augen führt, was Raul Zelik einmal die «Untoten des Kapitals» genannt hat. Abgesehen davon, dass Aurora aus Portugal kommt, wissen wir nichts von dieser Hauptfigur, die für schlechten Lohn ihre Routinen absolviert. Als sie dann doch einmal die Aussicht auf einen besseren Job hat, zeigt sich: Entleert von ihrer Arbeit, weiss sie selber nicht mehr, wer sie eigentlich ist.
Und mitten im Film dieses absurd ergreifende Schauspiel, das Aurora einmal im Lager beobachtet. Auf einem aufsteigenden Förderband liegt da ein Päckchen, das einfach nicht vom Fleck kommt, weil es wegen der Neigung fortwährend rückwärts purzelt. Sich abstrampeln, ohne dass es irgendwie vorangeht. Sisyphos hatte wenigstens noch seinen Fels.