Fussballfilme: Beckham war gestern
Ein Kultfilm zum Vergessen? «Bend It like Beckham» prägte die Formel für erfolgreiche Mädchenfussballfilme. Neuere Filme über Fussballerinnen sind weiter – und beleuchten auch blinde Flecken der Sportgeschichte.

Man nehme ein fussballversessenes Mädchen mit Migrationshintergrund oder anderer Ausgrenzungserfahrung, gebe ihm konservative Eltern, eine selbstbewusste Freundin und einen heimlich schwulen Komplizen und lasse sie zu Multikultibeats ihr Recht auf Selbstbestimmung erdribbeln. Das ist das Erfolgsrezept für Mädchenfussballfilme seit «Bend It like Beckham» der britisch-indischen Regisseurin Gurinder Chadha. Die Coming-of-Age-Komödie mit Parminder Nagra und der damals noch unbekannten Keira Knightley in den Hauptrollen füllte 2002 international die Kinokassen und veränderte auch die öffentliche Wahrnehmung des Frauenfussballs.
Das Wiedersehen mit dem Kultfilm ist allerdings ernüchternd: Hängt da allen Ernstes ein Starschnitt von David Beckham an der Wand einer britisch-indischen Achtzehnjährigen? Warum rennt das halbe Team nur im Sport-BH herum? Aus heutiger Sicht besonders plemplem: das Eifersuchtsdrama um den irischen Trainerprinzen.
Aktuelle Mädchenfussballfilme sind da weiter. Zum Beispiel «Sieger sein», die halb autobiografische Schulsatire der deutsch-kurdischen Regisseurin und Drehbuchautorin Soleen Yusef, letztes Jahr mit dem Deutschen Filmpreis für den besten Kinderfilm ausgezeichnet. Die elfjährige Kurdin Mona (Dileyla Agirman) stellt sich gleich zu Beginn sarkastisch selbst vor: als «Scheissflüchtling» in «hässlichen» Klamotten.
Fussball als Ventil?
Monas Vorbild könnte von Beckham nicht weiter weg sein: Es ist ihre Tante in Syrien, die im kurdischen Widerstand gegen das Assad-Regime kämpft. Bald hat Mona auch einen Verbündeten: den verschupften, genderunsicheren, blauhaarigen Sohn ihres Sponti-Klassenlehrers (Andreas Döhler) in Berlin. Letzterer will als Fussballtrainer den sozial unter Druck stehenden Mädchen, wie er sagt, ein «Ventil» bieten. Trotzdem knallt es irgendwann, und einige Schlägereien und Sabotageakte später ist es erst einmal aus mit dem Traum vom Sieg beim städtischen Hallenfussballturnier. Selbstbestimmung? Davon haben hier alle mehr als genug. Was fehlt, ist gegenseitiger Respekt.
Schlägereien gehörten auch zur Geschichte des Frauenfussballs. Das erfährt man in «Copa 71» (2023), dem britischen Dokumentarfilm von Rachel Ramsay und James Erskine über die zweite, bis heute nicht offiziell anerkannte Frauenfussball-Weltmeisterschaft 1971 in Mexiko. Der Halbfinal zwischen Italien und den Gastgeberinnen musste zehn Minuten vor Schluss abgebrochen werden – wegen Handgreiflichkeiten infolge fragwürdiger Schiedsrichterentscheidungen.
Wenn sich heute kaum noch jemand an dieses Turnier erinnert, hat das aber andere Gründe: Die WM wurde ohne die Erlaubnis der Fifa von einem unabhängigen europäischen Verband zur Förderung des Frauenfussballs mit dem Geld eines italienischen Produzenten alkoholischer Getränke ausgetragen. Und wurde gerade durch die Versuche der Fifa, die Veranstaltung zu verhindern, noch um einiges grösser als geplant: Weil die Verbandsstadien gesperrt waren, fanden die Spiele in privat betriebenen Arenen mit über 100 000 Plätzen statt.
Schwitzen für den Staat
In bester TV-Doku-Manier gräbt der Film die Geschichte dieses rekordverdächtigen Frauensportevents wieder aus – gegen das Vergessen, das die Fifa bislang erfolgreich betrieben hat. Sensationelle Archivaufnahmen – alle Spiele wurden vom mexikanischen Fernsehen ausgestrahlt – und die detailreichen Erinnerungen ehemaliger Spielerinnen lassen einen den heute fast surreal anmutenden Frauenfussballhype von damals nacherleben. Sie führen unausweichlich, wenn auch nicht ganz überraschend zur Erkenntnis: Die Aufwertung des Frauenfussballs ist offenbar nur mit seiner Kommerzialisierung zu haben.
Oder mit seiner Ideologisierung, wie Brigitte Weichs beeindruckende Langzeitdokumentation «Ned, Tassot, Yossot» (2023) am Beispiel Nordkorea zeigt. Die österreichische Regisseurin kehrt darin zu den vier ehemaligen Nationalspielerinnen zurück, die sie einst in «Hana, dul, sed» (2009) porträtiert hatte. Die Frauen haben in der Zwischenzeit Familien gegründet, sich beruflich neu orientiert und wurden als Fussdoubles eingesetzt – in einer nordkoreanischen Telenovela, die ihre Erfolge romantisiert (zweimal Gold beim Asien-Cup in den frühen nuller Jahren). Sie halten sich ans Protokoll, preisen die «Gnade des Generals», für den sie «hart trainieren», «schwitzen» und «siegen» durften. Ihre Erinnerungen und Blicke erzählen aber noch eine andere, schmerzlichere Geschichte.
2010 strahlte das nordkoreanische Staatsfernsehen übrigens zum ersten Mal in seiner Geschichte einen westlichen Spielfilm aus. Welcher das war? Genau: «Bend It like Beckham», leicht zensiert.
Filmprogramme zur Fussball-EM
Basel, Stadtkino, u. a. mit «Bend It like Beckham», So, 15. Juni 2025, 18.15 Uhr, und «Sieger sein», Mi, 18. Juni 2025, 18.30 Uhr. www.stadtkinobasel.ch
Bern, Rex, 8. Match Cut Fussball Film Fest, Fr/Sa, 20./21. Juni 2025, u. a. mit «Copa 71», «Ned, Tassot, Yossot» und einem Podium zum Buch «Das Recht zu kicken» von Marianne Meier und Monika Hofmann. www.rexbern.ch
Luzern, Stattkino, u. a. mit «Ned, Tassot, Yossot», So, 22. Juni 2025, 18 Uhr (anschliessend Gespräch mit Regisseurin Brigitte Weich), und «Copa 71», So, 29. Juni 2025, 18.30 Uhr. www.stattkino.ch
Zürich, Xenix, «Sieger sein», So, 15./22./29. Juni 2025, jeweils 14 Uhr, Mi, 18./25. Juni 2025, jeweils 14.30 Uhr.