Auf allen Kanälen: Trumps Dämonen
Fehlschlüsse ohne Folgen: Die Schweizer USA-Expert:innen Markus Somm und Claudia Franziska Brühwiler machens vor: Ausgerechnet zu Trumps Zollentscheid sind sie in den Ferien.

Markus Somms Beschäftigung mit Donald Trump grenzt an eine Obsession. Das bestätigt eine knappe Stichwortsuche in der Schweizer Mediendatenbank: Über 180-mal hat der «Nebelspalter»-Chefredaktor während der letzten zwölf Monate Trump in seinen Artikeln erwähnt, oft macht er den US-Präsidenten auch gleich zum Hauptthema seiner Verlautbarungen.
Fast täglich schreibt Somm eines seiner «Memos» für den «Nebelspalter», am Wochenende bestreitet er eine Gastkolumne in der «SonntagsZeitung». Sie war wohl eine Art Abschiedsgeschenk der Tamedia, nachdem Somm 2018 als glückloser Chefredaktor der «Basler Zeitung» abgetreten war.
Auf beiden Kanälen begrüsst Somm das Jahr 2025 euphorisch: «Trump ante portas. 2025 kommt gut» titelte er im «Nebelspalter», «Erwünschte Zeitenwende: Das Jahr von Trump» in der «SonntagsZeitung». Selten habe ein Politiker mehr versprochen, und selten «gab es mehr Grund, ihm das zuzutrauen». In den kommenden Monaten feiert er Trump wahlweise als «Donald den Grossen» und als «das Mittel, dessen sich der schwer fassbare, vielleicht nicht-existente, aber doch immer wieder spürbare Weltgeist zu bedienen scheint – wenn wir das so hegelianisch ausdrücken wollen». Oder etwas weniger hegelianisch Ende Juni: «Er ist ein Genie der Ablenkung, der Täuschung, des Bluffs.» Zwischendurch beschleichen ihn Zweifel: «Donald Trump könnte ein grosser Präsident werden – wenn er seine inneren Dämonen, die ihm so oft den richtigen Weg weisen, besser im Griff hätte.»
«Amerika ist unsere Zukunft»
Auch als Trump im Frühjahr mit seiner Kartontafel vors Weisse Haus tritt und der Schweiz einen Strafzoll von 31 Prozent in Aussicht stellt, kommt Somm kurz ins Grübeln. Er nennt die Zollpolitik «übermütig und rücksichtslos», zieht für sich gar die Möglichkeit einer publizistischen Zukunft ohne Trump in Betracht: Sollte Trump die Zwischenwahlen verlieren, «dann muss ich auch keine Memos mehr über ihn verfassen».
So weit sind wir aber noch nicht. Nachdem Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter im April mit Trump telefoniert hat, gratuliert Somm überschwänglich und verleiht ihr das Prädikat «Superstar»: «KKS hat gewonnen – und womöglich hat sie gar, wir wissen es nicht, dazu beigetragen, dass Trump seinen Zollkrieg mit der ganzen Welt für 90 Tage ausgesetzt hat.» Im Mai regiert wieder die Zuversicht: «Amerika ist unsere Zukunft.»
Dass Keller-Sutters Telefonierkünste wohl etwas weniger erfolgreich waren als gedacht, verrät Trumps Ankündigung eines verschärften Zolls von 39 Prozent für die Schweiz. Diese Nachricht erreichte Somm in den Ferien. Er schickt einen «Zwischenruf aus den Bergen», hält KKS weiter die Stange und schiebt die Schuld auf die «Euroturbos» im Bundesrat: Diese hätten die Verhandlungen «hintertrieben».
Wie eine kaputte Uhr
Ebenfalls abwesend: die HSG-Dozentin Claudia Franziska Brühwiler. Auch sie schreibt eine USA-Kolumne für die Tamedia-Zeitungen, die sie zugesprochen bekam, obwohl sie in einem Interview kurz nach der US-Wahl die verwegene und unterdessen eindrücklich widerlegte These aufgestellt hatte, Trump werde «von Anfang an eine ‹lame duck›» sein: Er habe ja nur noch eine Amtszeit. Was den «Tages-Anzeiger» nicht daran hindert, sie eine der «profiliertesten USA-Kennerinnen der Schweiz» zu nennen; auch in diverse SRF-Sendungen wird sie gern eingeladen. Ihre neuste Kolumne trägt den Titel «In Amerikas Provinz ist Trumps Krieg gegen Harvard weit weg». Weit weg ist auch der Zollstreit. Man kann nur spekulieren, ob die Ayn-Rand-Expertin in ihrem Podcast «Grüezi Amerika», der im Untertitel behauptet, die Schweiz und die USA seien «Schwesternrepubliken», den erneut entbrannten Geschwisterkrach doch noch aufgreifen wird.
Von Brühwiler ist aus der Vorwahlzeit immerhin ein weiser Satz überliefert: «Bei Trump erwarte ich immer nichts, weil ich weiss, dass ich nicht in seinen Kopf schauen kann.» In einem «Memo», in dem er sich vor allem über «ahnungslose» und «neunmalkluge Experten» auslässt, fragt auch Somm vor der Sommerpause nachdenklich: «Wie kann es sein, dass er uns immer noch überrascht?» Journalismus wie eine kaputte Uhr: Ab und zu stimmt er für einen Augenblick ganz genau.