Pharma: Mit Drohungen gegen Drohungen
Der Basler Pharmakonzern Roche fürchtet sich weniger vor den angekündigten US-Zöllen als vor Preiskontrollen.

Die beiden Basler Pharmagiganten Roche und Novartis sind örtlich nur ein paar Hundert Meter voneinander entfernt. Doch ihre Reaktionen auf die angekündigten Importzölle in den USA und vor allem die ebenso verlangten Preissenkungen könnten unterschiedlicher nicht sein. Novartis sagt zu all dem: nichts. Und hofft vermutlich darauf, drohende Eingriffe ins Geschäftsmodell wie immer schon weglobbyieren zu können.
Roche dagegen übt gegenüber der WOZ scharfe Kritik an den Plänen der US-Regierung. Wobei es nicht die Zölle sind, die den Konzern besonders stören – Roche hat vorsorglich die Lagerbestände in den USA erhöht und plant wie auch Novartis Milliardeninvestitionen, um dort die Produktion hochzufahren und so das Zollregime zu umgehen. Und selbst wenn US-Präsident Donald Trump, wie in den letzten Tagen angedroht, irgendwann Strafzölle von 250 Prozent und mehr für Pharmaimporte verhängen sollte, würde das in vielen Fällen bloss die Kosten für US-amerikanische Patient:innen erhöhen, weil das Patentierungssystem bei neuen Wirkstoffen für eine Monopolstellung sorgt.
Astronomische Renditen
Roche erzielt die Hälfte seines Pharma-Umsatzes in den USA. Das Unternehmen fürchtet sich aber nicht vor den Zöllen, sondern vor einer Anordnung Trumps, die Preisbildung bei neuen Arzneimitteln unter das Prinzip «Most favoured nation» (MFN) zu stellen. Medikamente, deren Kosten von der staatlichen Krankenversicherung Medicaid übernommen werden, sollen demnach nicht mehr kosten als im günstigsten Industrieland. Bislang kosten sie im Durchschnitt das Dreifache im Vergleich zu Europa. MFN werde die «Position der USA als weltweit führendes Ökosystem für pharmazeutische Forschung und Entwicklung untergraben», erklärt Roche und sagt einen Arbeitsplatzabbau, ein gedämpftes Wirtschaftswachstum sowie «Kürzungen in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar» in der Erforschung wie auch der Produktion neuer Wirkstoffe in den USA voraus, sollte Trump MFN wirklich umsetzen. Mit ähnlichen Drohungen versucht die Pharmabranche auch in der Schweiz regelmässig, tiefere Medikamentenpreise zu verhindern.
Doch Trump bleibt vorerst sowieso nur Ankündigungspräsident. Eine Preiskontrolle gibt es auch weiterhin bloss bei einzelnen, besonders umsatzträchtigen Medikamenten; durchgesetzt hat diese Trumps Vorgänger Joe Biden. Mit einem Brief an die siebzehn grössten Pharmakonzerne, darunter zehn US-amerikanische, will Trump die Multis nun dazu bringen, von sich aus auf die astronomischen Renditen im US-Geschäft zu verzichten. Das wirkt hilflos; entsprechend ungerührt zeigen sich die Konzerne bislang und schieben die Schuld für die hohen Preise auf Zwischenhandel, Spitäler und Apotheken, die angeblich die Hälfte der Erlöse des Medikamentenverkaufs einstreichen.
Linke Interventionen
Was die Verwerfungen in den USA für den Pharmastandort Schweiz bedeuten, bleibt unklar. Der Basler SP-Wirtschaftsdirektor Kaspar Sutter äusserte im Schweizer Fernsehen die Vermutung, dass Basel-Stadt wegen seiner Rechtssicherheit als Standort sogar profitieren könnte. Stellenverluste befürchtet er bei der Produktion, die sich unter anderem aufs aargauische Fricktal konzentriert. Mittlerweile gibt Sutter aber keine Prognosen mehr ab. Weil so vieles ungewiss sei, könne man die Auswirkungen der neuen US-Zollpolitik auf Arbeitsplätze und Steuererträge nicht abschätzen.
Für Beat Ringger, Pharmaexperte beim linken Denknetz, zeigt sich dennoch, dass die Schweiz mit ihrer Pharmapolitik an einem Wendepunkt steht. «Die Profitmaximierung der Pharmaindustrie, von der die Schweiz so enorm profitiert hat, funktioniert nicht mehr», sagt er. Ringger sieht die Pharmabranche in einer «Transitionsphase» und fordert Interventionen, um eine neue Pharma zu schaffen, die sich am Nutzenmodell orientiere statt am Shareholder-Value. Er verweist auf die Basler Volksinitiative «Pharma für alle», die eine öffentlich finanzierte Medikamentenversorgung fordert. Ringger glaubt, dass sich mit der aktuellen Krise Chancen für linke Ideen eröffnen. «Mit dem Geschäftsmodell der Pharma gerät auch die Wirtschaftspolitik der Schweiz insgesamt ins Wanken.»