Wichtig zu wissen: Schicksalsjahr 2025

Nr. 34 –

Ruedi Widmer über den Nordpol, Gerüstteile und stromfressende Intelligenzen und Amazonen

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Wenn ich mir das greisige Geschleime vom Wochenende in Alaska zu Gemüte führe, dann drängen sich doch einige Gedanken auf, so zum Beispiel an ein zusammenhängendes Grossrusaland, das Russland, die Ukraine, das Baltikum, Skandinavien, Grönland, Kanada (mit den Northwest Territories und Nunavut), die USA und Alaska umfasst und den Nordpol geopolitisch komplett umschliesst und ihn ready zur Rohstoffausbeutung und sicher vor China macht. In der erhitzten Welt spielt die Zukunft im Norden. Doch noch sind die Pole nicht verlore!

2025 ist ein Schicksalsjahr. Plötzlich ist etwas anders auf der Welt, das sich nicht mehr rückgängig machen lässt.

Dass sich das Leben schnell ändern kann, das wurde mir heute bewusst, als ich auf dem Weg zum Zahnarzt mit dem Velo hinter einem Lkw herfuhr und gerade noch genügend Abstand hatte, um nicht von von dessen Ladefläche herunterfallenden Gerüstteilen erschlagen zu werden. Ich sah gerade noch, wie sie ins Rutschen gerieten, und auch, dass sie, zusammen mit einer Bockleiter, völlig ungesichert waren und wohl vergessen gegangen waren, so wie die Operationsscheren in unseren Bäuchen.

Ich war gerade etwas geschockt und habe dem Fahrer dann noch «Glück gehabt!» zugerufen. Vielleicht wurde der Vorfall ja wenigstens von einer Verkehrskamera gefilmt und wird irgendwann zusammen mit knapp verhinderten chinesischen Verkehrsunfällen in einem Youtube-Zusammenschnitt (mit fünfzig Millionen Klicks) erscheinen.

2025, Schicksalsjahr. Warum werden Lkws von Menschen nachlässig beladen und nicht von künstlicher Intelligenz korrekt? Warum werden meine Zähne nicht von KI operiert? Warum wird der tropfende Wasserhahn nicht von KI repariert?

Warum hingegen werden die schönen und schöpferischen Arbeiten von KI bedroht? Cartoons von KI gezeichnet? Gedichte von KI geschrieben? Musik von KI gemacht?

Wenn man nochmals Gedanken sich aufdrängen lässt: weil sie an den Orten sind, wo Macht und Veränderung droht. Obwohl der Lkw relativ revolutionär beladen war (ohne Seile), ist er keine wirkliche Gefahr für die sogenannte öffentliche Sicherheit, ausser für jene, die gerade hinter ihm stattfindet.

Aber die Medien- und Kulturwelt ist seit jeher ein gefährlicher Unruheherd für Kapital und Macht. Wenn hier die Broligarchen dem Volk trumpfreundliche Generatoren zur Verfügung stellen, dann verdrängt dieser neue Content auf den Kanälen die kulturellen Beiträge und den Journalismus und unterhält trotzdem, mit alaskischen Clowngeschichten oder den neusten Baseballhüetli des Weltherrn.

Neue Schweizer Atomkraftwerke werden frühstens in dreissig Jahren überhaupt in Betrieb kommen, viel zu spät. Eines der einleuchtenden Argumente der Gegner:innen der sogenannten Blackout-Initiative. In der SRF-«Rundschau» hörte ich Albert Rösti (Bern) sagen, dass das «Denkverbot» für AKWs aufgehoben gehört (auch mit dem bundesrätlichen Gegenvorschlag), damit gerade ideal in dreissig Jahren ein erstes AKW (völlig neue Technologie!) in Betrieb kommen kann, um die heutigen AKWs zu ersetzen. Und die KI brauche Strom! Die Erneuerbaren und die Energiestrategie 2050 scheinen im Bundesrat von geistigem Gerüstabfall verschüttet worden zu sein.

Herr Rösti, man könnte auch ganz einfach Strom sparen, wenn man die Rechencenter von Amazon mit ein paar locker dahingeworfenen Dekreten aus der Schweiz verdrängen würde, zum Beispiel, indem man dem von ihnen verbrauchten Strom 39 Prozent Nichtstrom zumischt. Amazon schadet der Schweiz nur, bezahlt kaum oder gar keine Steuern, gehört dem Trump-Broligarchen J. Bezos (Venedig, USA) und verbraucht gigantische Mengen Strom (in Winterthur die Hälfte [sic!]) für rein gar nichts (ausser für den Chef), und Amazon gibt es ja nicht mal auf .ch – das wenigstens zum Glück.

Ruedi Widmer lebt im Jahr 2025 und wird in dreissig Jahren gegen einen atomar betriebenen Blechroboter aus den 1950er Jahren ausgetauscht, der die dannzumal veraltete KI ersetzen wird.