Klima-Urteil: Renitenter Bundesrat
Vergangenen Freitag waren sie wieder unterwegs: Klimaseniorinnen marschierten mit ihren Transparenten beim Klimastreik in Zürich mit. Seit eineinhalb Jahren kämpfen sie nun schon für etwas, was in einem Rechtsstaat eigentlich selbstverständlich sein sollte: dass der Bundesrat die nötigen Konsequenzen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zieht, das ihn dazu verpflichtet, mehr gegen die Klimakatastrophe zu tun.
Der EGMR hatte am 9. April 2024 festgestellt, dass die Schweiz ihre Schutzpflicht gegenüber der Bevölkerung und speziell gegenüber älteren Frauen verletzt, deren Gesundheit angesichts steigender Temperaturen besonders gefährdet ist. Die Schweiz habe ihre Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen verfehlt und keine hinreichenden Massnahmen ergriffen, um das 1,5-Grad-Ziel gemäss dem Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Und das will der Bundesrat auch weiterhin nicht tun.
Nächste Woche trifft sich das Ministerkomitee des Europarats, um die Umsetzung des Urteils durch die Schweiz zu prüfen. Wenn es seine Arbeit ernst nimmt, wird es erneut das Versagen der Schweiz feststellen, wie es das bereits in einer Sitzung am 6. März getan hat.
Der Bundesrat beruft sich in seiner neusten Erklärung gegenüber dem Ministerkomitee auf die «Klimastrategie 2050». Die ist aber ungenügend: Sie sieht viel mehr Pro-Kopf-Emissionen vor, als der Schweiz im Vergleich mit anderen Staaten fairerweise zustehen würden.
Auch ein kürzlich veröffentlichtes Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag bekräftigt, dass die Staaten grösstmögliche Anstrengungen unternehmen müssen, um die globalen Klimaziele zu erreichen. Auch für den IGH ist das eine Frage der Menschenrechte. Doch das anzuerkennen, würde bedeuten, einschneidende Massnahmen beschliessen zu müssen, etwa zur Reduktion der «immensen konsumbedingten Emissionen», wie eine Klimaseniorin an der Demonstration in Zürich sagte. Genau das wollen weder der Bundesrat noch das Parlament. Und deshalb geht der Kampf der Klimaseniorinnen – und ihrer Verbündeten – weiter.