Film: Ein zu perfekter Babylurch
Julia und Georg sind ein Paar um die vierzig, das Kontrollverluste nur aus dem Vergnügungspark kennt. Sie (Marie Leuenberger) ist Dirigentin an einem grossen Konzerthaus, und auch er (Hans Löw) macht irgendwas Erfolgreiches. Darum können sie sich eine moderne, helle Dachwohnung und eine liebevolle, gleichberechtigte Beziehung leisten. Sogar ihr Fruchtbarkeitsproblem lässt sich mit Geld beheben: Dr. Vilfort (Claes Bang), der aalglatte Leiter der Kinderwunschklinik «Lumen Vitae», versichert den beiden eine Erfolgschance von annähernd hundert Prozent.
Das ist der scheinbar harmlose Auftakt von «Mother’s Baby», dem satirischen Mutterpsychodrama der österreichischen Regisseurin Johanna Moder. Unheimlich wird es genregemäss – die Parallelen zu «Rosemary’s Baby» sind beabsichtigt – erst mit der Geburt. Es gibt Komplikationen, und kaum ist das Baby da, wird es weggebracht. Was am nächsten Tag zurückkommt, ist einfach zu perfekt: zu glatt, zu gesund, zu still, ja irgendwie … lurchig – wie die Axolotl in den beruhigend blubbernden Aquarien in Vilforts Klinik. Julia fremdelt mit dem Kind (vielleicht ist es vertauscht worden?) und mit ihrer neuen Rolle (was, wenn ihre Stellvertreterin die Konzerttour übernimmt?). Georg hingegen fremdelt mit Julia. Seine Verdachtsdiagnose: postpartale Depression.
Ist die Dirigentin aus dem Takt geraten oder tatsächlich einem Skandal auf der Spur? Nicht immer subtil, dafür beklemmend lustig und mit einigem Thrill treibt Moder ihre Protagonistin immer tiefer in die Identitätskrise. Bis man sich unweigerlich fragt, wer denn nun verrückt ist: Julia oder ihr gesellschaftliches Anforderungsprofil als Frau und Mutter inmitten unzähliger Konsumanreize einer hochgerüsteten Reproduktionsmedizin? Dass das bei all den Schwanzlurchen nicht albern wirkt, ist auch dem Cast zu verdanken. Allen voran Hauptdarstellerin Marie Leuenberger, die jede Regung – vom Kinderwunschlächeln bis zur Muttermundkontrolle – preisverdächtig nuanciert beherrscht.