Film: Globi und die Tragik des Gemeinguts

Nr. 39 –

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Filmstill aus «Asphalte Public»: Grafittis an Wand eines Gebäudes
«Asphalte Public». Regie: Jan Buchholz. Schweiz 2025. Jetzt im Kino.

Für «Stadtwanderer» Benedikt Loderer ist der Fall klar: Beim architektonischen Wahrzeichen Biels, dem zwischen 1961 und 1965 errichteten Kongresshaus, handle es sich in Wahrheit um das Bieler Münster. Und «La coupole» beziehungsweise der «Chessu», die zum autonomen Jugendzentrum umfunktionierte Kuppel der ehemaligen Gasfabrik, sei das zugehörige Baptisterium, so sagt er es im Dokumentarfilm «Asphalte public» – was den Platz dazwischen zur Piazza oder zum Forum machen würde, zum wahrhaft offenen und öffentlichen Raum. Nachdem dieser lange zum wüsten Parkplatzdasein verdammt gewesen war, hat man die Autos mittlerweile in einem unterirdischen Parkhaus versorgt; derweil wurden rundum Hunderte Bäume gefällt, um Platz für Wohnraum und andere Immobilien zu schaffen. So ist die «Esplanade» zu einem riesigen, meist leeren Asphaltplatz geworden, grau und offen für Träume und/oder Events.

Ein Sinnbild für Biel sei dieser Platz, sagt ein jung gebliebener Parkourläufer: «Es ist der Ort für all die Globis der Stadt.» Alle seien sie hier am Herumhüpfen, Sünnelen oder Skaten. Abends sehe man manchmal den einen oder anderen Krawattenträger auf dem Weg zum Orchesterkonzert im Kongresshaus, während im Chessu die «fettesten Feten» liefen. Keine Übertreibung: In den Achtzigern war Biel ein europäischer Hotspot der aufkommenden Hip-Hop- und Graffitiszene. Auch heute braucht sich Biel, bekannt für seine Zweisprachigkeit und relativ unverkrampft gelebte Multikulturalität, kulturell nicht zu verstecken. Die Parole dazu: «Ici, c’est Bienne.»

Von der Esplanade ausgehend, erzählt Jan Buchholz – selbst kein Bieler – in seinem neuen Film vielstimmig und charmant von den Tücken der Stadtplanung, von Kultur und Gentrifizierung, Beton und Hitzeglockenphänomenen sowie davon, wie man als Strassenmusiker:in in Biel zu einer Bewilligung kommt. Auf die Perspektive der Immobilienbesitzer:innen mit oder ohne Krawatte braucht man hingegen nicht zu warten. Die Interviewpartner, heisst es, hätten kurz vor Drehbeginn einen Rückzieher gemacht und das Feld den Globis überlassen.