Zivildienst: Mit schweren Schuhen für die Biodiversität
Er schlägt Brücken zwischen Landesteilen und sensibilisiert für Umweltfragen: Drei Beteiligte erzählen, warum der Zivildienst in Naturschutz und Landwirtschaft so wichtig ist.
Der Zivi hat das Recht auf neue Arbeitsschuhe. So steht es im Pflichtenheft der Landwirtin Tabea Baumgartner. Die Arbeitskleider hingegen dürfen auch gebraucht sein – Hauptsache, sauber. Seit dem Frühling bewirtschaftet die Ziegenhalterin einen Pachtbetrieb im Verzascatal. Fast alles hier ist steil: die Wiesen und Weiden, die Kastanienselve, der Wald. Für die Pflege dieser Flächen hat sie rund hundert Zivildiensttage pro Jahr zugute.
«Vor allem bei Arbeitsspitzen, etwa beim Heuen, bin ich extrem froh um die Unterstützung», sagt Baumgartner. «Früher half die ganze Verwandtschaft – aber solche Familienstrukturen gibt es immer weniger.» Schon in den letzten Jahren, als sie noch Alphirtin in der Surselva war, hat sie Zivis angeleitet. «Alle waren sehr interessiert und freuten sich, die Realität der Berglandwirtschaft kennenzulernen.»
Doch das Parlament hat in der Herbstsession beschlossen, den Zivildienst zu schwächen. Ziel ist es, die Zulassungen um vierzig Prozent zu senken. Der Zivildienstverband Civiva und die Jungen Grünen haben ein Referendum angekündigt.
Männerdynamiken hinterfragen
Mehr als drei Viertel der Diensttage werden im Sozialbereich, in Schulen und im Gesundheitswesen geleistet – nur knapp zehn Prozent im Naturschutz, knapp drei in der Landwirtschaft. In beiden Bereichen geht es meist um Landschaftspflege.
Die Einsätze in der Landwirtschaft seien enorm wertvoll, sagt Carole Gauch von der Kleinbauern-Vereinigung. «2024 haben fast tausend Zivildienstleistende 877 Betriebe unterstützt. Sie fördern die Biodiversität und pflegen vielfältige Landschaften. Viele Betriebe wären kaum in der Lage, diese Leistungen ohne Zivis zu erbringen.» Die Kleinbauern-Vereinigung und Uniterre unterstützen das Referendum – der Bauernverband nicht.
Was wegzufallen droht, lässt sich in Diensttagen quantifizieren. Nicht in Zahlen fassen lassen sich hingegen die Erfahrungen, die der Zivildienst ermöglicht. Etwa für den Badener Musiker und gelegentlichen WOZ-Autor Donat Kaufmann: «Die Erinnerungen an den Zivildienst sind für mich mit Sinn und Zufriedenheit verbunden.»
Bei seinem Einsatz für Pro Natura Aargau sei er zum ersten Mal mit Klima- und Naturschutzfragen konfrontiert gewesen. «Und zwar ganz praktisch: Warum machen wir hier Asthaufen? Weil es zu wenige Lebensräume für viele Tiere gibt. Aber warum gibt es zu wenige Lebensräume? Ich begann, Zusammenhänge zu verstehen, die mich nie mehr losgelassen haben.» Für einige seiner Bekannten sei der Zivildienst so prägend gewesen, dass sie Umweltnaturwissenschaften oder Landschaftsarchitektur zu studieren begonnen hätten. Er selbst leitet seit dem Frühling Gruppen von Zivis bei Naturschutzarbeiten an. «Es geht ihnen wie mir damals: Sie sind viel motivierter, wenn sie wissen, welches Ziel ihre Arbeit hat – wenn wir zum Beispiel invasive Pflanzen jäten.»
Er liebe die praktische Arbeit, sehe den Zivildienst aber auch als Ort, um Männerdynamiken zu hinterfragen: «Ich versuche, eine Atmosphäre zu schaffen, in der alle gut für sich sorgen können – den Körper aufwärmen, über die eigene Befindlichkeit sprechen. Aber gleichzeitig auf das Gemeinsame schauen: Alle sind verantwortlich, dass wir diesen Hang heute fertig mähen können.» Wenn möglich, koche am Mittag einer für alle, und er lege Wert darauf, dass sich alle beteiligten, so Kaufmann.
Katalysator für Vernetzung
Auch der Berner Urs Rihs, der heute unter anderem im Rebbau arbeitet, möchte die Erfahrungen im Zivildienst nicht missen. «Wenn du monatelang draussen bist, bei Hitze wie bei Platzregen, werden dir die materiellen Grundlagen der Existenz bewusst.» Im Naturpark Gantrisch südlich von Bern kartierte und entfernte er invasive Pflanzen, pflegte Hecken und Waldränder. «Ich konnte viele Vögel beobachten und miterleben, wie die ersten Biber an die Sense zurückkamen.» Er fand im scheinbar unberührten Sensegraben aber auch Autowracks, Benzinfässer und Blindgänger – und tote Fische, der Gülle über der Schlucht zum Opfer gefallen. «Mein Blick für Ökosysteme schärfte sich. Im Zivildienst habe ich verstanden, dass Naturschutz eine kulturelle Kategorie ist. Was wir machen, ist eine Art Gartenbau, aber das ist okay. Wir kultivieren Landschaft.»
Er lernte andere Lebensentwürfe kennen – traf Hippies, eine Älplerin, die mit dem Pferd arbeitete, und arbeitsmüde, aber auch aufgeschlossene Bauern. «Als Katalysator für Vernetzung hat der Zivildienst ein riesiges Potenzial. Ich wäre dafür, dass alle unter 35 mindestens einen Monat im Jahr solche Einsätze leisten.»
Was würde fehlen ohne Zivis in Landwirtschaft und Naturschutz? «Gerade auf der Alpensüdseite würden viele Flächen zuwachsen», sagt Landwirtin Tabea Baumgartner. «Und auch der Austausch zwischen Stadt und Land würde wegfallen. Der Zivildienst ist eine niederschwellige Möglichkeit für Begegnungen, die es sonst nicht gäbe.» Das baue Vorurteile ab – auf beiden Seiten. «Die pensionierte Schwester meines Verpächters kam mit meinem Zivi aus Zürich ins Gespräch; sie hätte ihn sonst nie getroffen. Das war nicht nur ein Stadt-Land-, sondern auch ein Sprachregionenaustausch.»