Service-Citoyen-Initiative: Ein Nein mit Aber

Nr. 46 –

Die linke Kritik an der Service-Citoyen-Initiative ist berechtigt. Trotzdem wäre ein Gegenvorschlag wünschenswert gewesen.

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Die Service-Citoyen-Initiative will eine Dienstpflicht für alle Schweizerinnen und Schweizer – im Militär, im Zivilschutz oder in einer Form von Zivildienst. Und fast alle sind dagegen: Die grossen Parteien und die Wirtschaftsverbände bekämpfen die Vorlage gemeinsam. Während Rechtsbürgerliche und Wirtschaftsvertreter:innen vor allem finden, ein solcher Dienst käme viel zu teuer, sind die Argumente von links differenzierter – und überzeugender.

Frauen leisten immer noch einen Grossteil der unbezahlten Care-Arbeit, tun also auch ohne Dienstpflicht sehr viel für das Gemeinwohl. Oft reduzieren sie dafür die Erwerbsarbeit und haben darum eine schlechtere Altersvorsorge. Bei den Löhnen sind sie ohnehin schon benachteiligt. Es wäre unfair, ihnen auch noch eine Dienstpflicht aufzubürden. Auch die Gefahr des Lohndumpings ist ernst zu nehmen: Wo würden all die Frauen eingesetzt, die nicht ins Militär wollen? Als billige Arbeitskräfte in Spitälern, Alters- und Pflegeheimen, auf Kosten der qualifizierten Angestellten?

Ausserdem steht im Initiativtext: «Der Sollbestand der Kriseninterventionsdienste ist garantiert.» Damit sind Armee und Zivilschutz gemeint, wie explizit im Text steht. Das könnte dazu führen, dass wieder Menschen gezwungen werden, ins Militär zu gehen. Wer muss dann? Und wer entscheidet das?

Es gibt also genug Gründe, am 30. November Nein zu stimmen. Trotzdem hat der grüne Nationalrat (und Befürworter) Gerhard Andrey recht, wenn er bedauert, dass das Parlament nichts von einem Gegenvorschlag wissen wollte (siehe WOZ Nr. 44/25).

Die Linke betonte im Parlament, Freiwilligenarbeit müsse freiwillig bleiben, Freiwilligkeit lasse sich nicht verordnen. Kaum diskutiert wurde eine andere Frage: Hat der heutige Zivildienst nur den Zweck, die Militärdienstverweigerung zu ermöglichen? Oder hat er einen Wert an sich?

Viele Männer werten ihre Erfahrungen als höchst positiv: Der Zivildienst habe ihren Horizont erweitert und sie auch beruflich auf neue Ideen gebracht (siehe WOZ Nr. 41/25). Warum wird diese Erfahrung nicht auch Frauen ermöglicht? Sie können im Naturschutz gratis arbeiten, während zivildienstleistende Männer für dieselben Arbeiten entschädigt werden. Vorstösse für einen freiwilligen Zivildienst für Frauen sind im Parlament schon zweimal gescheitert – dabei hätten sie in der Bevölkerung wohl gute Chancen.

Es ist schade, dass das Parlament nicht über andere Formen von Diensten diskutieren wollte. Über Möglichkeiten, die dem Militär keinen Vorrang geben, die die Problematik der Care-Arbeit und des Lohndumpings berücksichtigen. Im Bereich Landschaftspflege, Biodiversitätsförderung und Naturgefahrenprävention gäbe es viel Arbeit, die sinnvoll und nötig wäre und keine Lohnarbeit konkurrenziert – sie wird heute aus Kostengründen einfach nicht gemacht. Je heftiger das Wetter, je instabiler die Berge werden, desto nötiger wird diese Arbeit. Dazu gehört der Umgang mit von der Wärme begünstigten invasiven Insekten, Pflanzen und Pilzen, die die Wissenschaft als eine der grossen Bedrohungen für die Artenvielfalt benennt. Dazu gehört auch Care-Arbeit für die von (Klima-)Katastrophen betroffenen Menschen. Überhaupt könnte ein solcher Zivildienst als definierten Zweck haben, Gespräche zu ermöglichen, für die heute in der Erwerbsarbeit viel zu wenig Zeit bleibt.

Ein Gegenvorschlag zur Service-Citoyen-Initiative, der all dies berücksichtigt, der Sicherheit umfassender definiert als militärische Aufrüstung und konsequent auf zivile Strategien setzt, wäre wünschenswert gewesen – aber war von diesem Parlament nicht zu erwarten. Es hat ja bereits beschlossen, dass es den Zivilschutz und den Zivildienst zu einem Katastrophenschutz zusammenlegen will. Damit würde der heutige Zivildienst samt seinen vielfältigen Erfahrungen verschwinden.

Bereits vor der drohenden Abschaffung möchte das Parlament den Zugang zum Zivildienst einschränken. Das Referendum dagegen läuft noch bis zum 15. Januar. Es eilt also.