Kampfjet-Debakel: Kleine Chance für die Turbo-Initiative

Nr. 42 –

Der F-35-Kritiker Pierre-Alain Fridez fordert eine Initiative gegen den Kauf der amerikanischen Kampfjets. Doch eine klare Allianz gibt es dafür derzeit nicht. Stattdessen: Zweifel und Streitpunkte.

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Die Debatte lanciert hat Pierre-Alain Fridez in der letzten WOZ: In einem Interview forderte der jurassische SP-Nationalrat eine «Turbo-Initiative» gegen die Beschaffung des F-35. Nun, da alle Fakten auf dem Tisch lägen, müsse die Stimmbevölkerung noch einmal über die Beschaffung der amerikanischen Jets befinden, sagte Fridez.

Glaubt man der «SonntagsZeitung», die den Ball am Wochenende aufgenommen hat, ist die von Fridez geforderte Initiative schon so gut wie lanciert: Eine Allianz aus SP, Grünen und der GSoA (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee) sei dafür sehr offen und führe bereits entsprechende Gespräche, berichtete die Zeitung. Tatsächlich gibt es aber unter linken F-35-Gegner:innen derzeit keinen Konsens für die Lancierung einer Initiative.

Skepsis bei SP und Grünen

Der grüne Sicherheitspolitiker Balthasar Glättli sagt bei einem Treffen, er wolle eine Initiative zwar keinesfalls ausschliessen, «doch persönlich überwiegen bei mir heute die Zweifel». Gemäss Glättli haben seit dem Sommer unter den linken Kräften in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats verschiedentlich Sondierungsgespräche für ein mögliches Initiativprojekt stattgefunden. Was ihn dabei am meisten umtreibe, sei die Frage, «ob eine Stopp-F-35-Initiative nicht kontraproduktiv wäre». Glättli spricht damit die Zeitfrage an: Selbst wenn eine linke Allianz in sehr kurzer Zeit die nötigen Unterschriften zusammenbrächte, könnte es bis zu einer Abstimmung noch ein, zwei Jahre dauern. «Den Turbo könnten wir nur beim Sammeln einlegen, nachher läge die Sache nicht mehr in unserer Hand.»

Glättli befürchtet, dass es die Initiative dem Bundesrat erleichtern würde, die Beschaffung des F-35 normal voranzutreiben. «Er könnte immer darauf verweisen, dass es dann ja noch einen Abstimmungsentscheid geben wird.» Doch fürchtet Glättli, dass die Abstimmung so spät kommen würde, dass sie die Beschaffung der Flieger nicht mehr aufhalten würde. «Mit jeder Milliarde, die bereits ausgegeben wird, wird der Abschreiber grösser. Das hilft an der Urne nicht.» Glättli resümiert: «Wir müssen also gut aufpassen, dass wir den Bundesrat nicht aus der Verantwortung entlassen.»

Auch bei der SP gibt es Skepsis gegenüber dem Zeitpunkt. Sicherheitspolitikerin Andrea Zryd schreibt auf Anfrage: «Die Initiative käme wohl zu spät, und sie würde sehr viele Ressourcen binden.» SP-Kopräsident Cédric Wermuth wiederum will zwar eine Initiative nicht ausschliessen. Er schreibt: «Der F-35 ist sowohl finanziell wie auch sicherheitspolitisch ein Desaster. Vor allem die Betriebskosten werden in den nächsten Jahrzehnten einen enormen Druck auf sinnvolle sicherheitspolitische Ausgaben und den ganzen Bundeshaushalt ausüben.» Die Parteileitung teile jedoch auch die Zweifel von Glättli und Zryd: «Genau diese Fragen klären wir aktuell ab, auch mit potenziellen Partnerorganisationen.»

Potenzielle Konflikte

Zwischen der SP, den Grünen und der GSoA hat es bislang noch keine offiziellen Gespräche gegeben. GSoA-Sekretär Joris Fricker sagt am Telefon: Schon seit dem F-35-Entscheid hätten sich zwar Vertreter:innen der drei Akteure immer wieder zusammengesetzt und gemeinsame Projekte lanciert, etwa eine Petition, die vom Bundesrat fordere, den Kaufvertrag für den F-35 zu kündigen. Doch über eine mögliche Initiative habe man bislang nur informell gesprochen.

Die Zurückhaltung begründen Vertreter:innen einer möglichen Allianz gegen den F-35 in erster Linie mit Kapazitätsengpässen. Fricker etwa sagt, die GSoA sei derzeit extrem stark eingebunden, beispielsweise mit dem Sammeln von Unterschriften für die Atomwaffenverbots-Initiative. Doch dürften auch potenzielle Konflikte eine Allianz bremsen. Denn was am Ende in einer Stopp-F-35-Initiative stehen würde, wäre wohl Gegenstand von harten Auseinandersetzungen. Fridez sagte in der WOZ, die Schweiz solle statt des F-35 rasch einen kostengünstigen europäischen Flieger besorgen. Während im Parlament wohl viele Linke eine Initiative mit möglichst konkretem Gegenkonzept befürworten würden, sagt Fricker: «Die GSoA wird keine Hand bieten für eine Initiative, die einen Ersatzflieger fordert. Das wäre gegen unsere DNA.»

Und die Alternativen?

Die Hürden für eine Initiative sind also gross. Doch zeichnen sich derzeit kaum valable Alternativen ab, um den F-35-Kauf noch zu stoppen: Bislang hat die rechte Mehrheit alle Vorstösse in diese Richtung abgelehnt. Andrea Zryd schlägt deshalb ein «pragmatisches Vorgehen» vor, «etwa den Weiterverkauf der F-35 an Länder, in denen sein Einsatz mehr Sinn ergibt». Glättli hingegen hat im Frühling einen Vorstoss zum sofortigen Abbruch der Beschaffung eingereicht und hofft auf ein Umdenken der rechten Mehrheit: «In inoffiziellen Gesprächen sind inzwischen mehr Zweifel zu spüren, das Ausmass des Desasters wird schliesslich immer deutlicher.»

Ausstehend ist zudem die endgültige Positionsnahme des neuen VBS-Chefs Martin Pfister. Dieser hat angekündigt, bis im Herbst alle Optionen zu prüfen, spricht bislang aber in erster Linie von den Möglichkeiten, einen Zusatzkredit aufzunehmen oder die Anzahl der Flieger zu senken.