Erbschaftssteuer: Ein einig Volk von Partners

Nr. 49 –

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Die Schweiz, so haben wir es in der Schule gelernt, ist eine Willensnation. Keine Kultur eint sie, keine gemeinsame Sprache und kein Kaiser, sondern eben ein Wille. Nur, ein Wille wozu?

Fast achtzig Prozent der Abstimmenden haben die Initiative der Juso für die Einführung einer Erbschaftssteuer abgelehnt. Sie stellen sich damit schützend vor die Vermögen von rund 6700 Personen, die davon betroffen gewesen wären. Die NZZ sinniert über die Rückkehr der «Stabil-Schweiz». «Swissinfo» befragte noch am Abstimmungstag Steuerexpert:innen dazu, ob das Image der Schweiz als – kein Witz! – «Zufluchtsort für Steuerflüchtlinge» gelitten habe. Kaum: Die Rede ist von einem «starken Signal». Aufatmen allenthalben.

Fast niemand wäre direkt von der Erbschaftssteuer betroffen gewesen. Entscheidend war aber wohl das Bewusstsein dafür, dass die Oligarch:innen und ihre Millionen, die das Land mit tiefen Steuersätzen in die heile Bergwelt lockt, zu dessen viel beschworenem, aber selten konkret beschriebenem Erfolgsmodell beitragen. Dieses besteht im Wesentlichen darin, anderen Staaten Geld abzuziehen. Als Zufluchtsort eben, der von der Mobilität eines globalisierten Kapitals profitiert, das sich der lästigen Ketten demokratischer Kontrolle längst entledigt hat.

Die Oligarch:innen sind eigentlich eher nebensächlich. Das Tax Justice Network rechnet mit einem Schaden von rund zwei Milliarden US-Dollar, der anderen Staaten durch die Schweizer Steuerpolitik für Private entsteht – ein Bruchteil nur von den rund sechzehn Milliarden Steuerdollar, die das Land ihnen mit seinen tiefen Steuern für Unternehmen entzieht.

Der Wegzug von ein paar Reichen, angeführt vom neuen Volksvater Peter Spuhler und von Alfred Gantner von der Partners Group, dem achten Bundesrat ex Machina, wäre finanziell verkraftbar gewesen. Die Aussicht auf eine spuhlerfreie Schweiz wäre ja durchaus attraktiv, aber es ging bei dieser Abstimmung eben nicht nur um die paar Erbschaften.

In der Schweiz gibt es Armut, Ausbeutung, Unterdrückung. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die durchschnittlichen Schweizer:innen zu den reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung zählen. Man kann diese Willensnation als Beutegemeinschaft verstehen. Der Grossteil der Beute entfällt auf die Reichsten der Reichen. Aber wer diese nur engagiert genug hofiert, darf darauf hoffen, dass sie irgendwann ein paar Franken fallen lassen.

Zuletzt haben einige linke Erfolge dieses Modell infrage gestellt. Steuervorlagen sind gescheitert. Spätestens seit Annahme der 13. AHV-Rente versuchen die Bürgerlichen nun mit neuer Intensität, die Bevölkerung zur Disziplin zurückzupeitschen. Sparen müsse man jetzt, die Klimakrise ignorieren und Waffen verkaufen, Vollzeit arbeiten, denn ja, wirklich, es sind düstere Zeiten – für Sozialausgaben fehlt das Geld und für Tempo 30 die Zeit.

Die Kehrseite des Erfolgs ist die Angst, und je härter der Alltag, je höher die Miete und je unsicherer die Zukunft, desto verständlicher die Abwehrhaltung gegenüber fiskalpolitischen Experimenten. Dass nicht alle, die die Initiative abgelehnt haben, heimlich böse Absichten hegen – geschenkt. Wenigstens hätte die Diskussion aber gehaltvoller sein, Anlass dafür bieten können, eine Staatsdoktrin infrage zu stellen, deren Implikationen konsequent wie immer verdrängt werden, in bemerkenswerter Einigkeit.

Und jetzt? Die On-Schuhe sitzen, die Funktionsjacke im Wert eines Kleinwagens ist übergezogen, der Gurt eng geschnallt: Die Stimmbevölkerung steht geschlossen wie selten hinter «Team Switzerland». Motiviert, so scheint es, die Eskapaden der vergangenen Jahre hinter sich zu lassen und den politisch und ökonomisch stürmischen Zeiten mit der nötigen Wettbewerbsfähigkeit zu begegnen. Während die Reichen ihre Köfferchen getrost wieder auspacken können.