Linke Hoffnung: Polarisierung lohnt sich
Seit Jahren geistert das Schreckgespenst der «Polarisierung» durch die Zeitungen und Fernsehstationen des Landes. Von ihr, so ist man sich einig, geht erhebliche Gefahr für die Demokratie, unsere schöne Gesellschaft, das gute Leben aus. Aber das ist arg verkürzt. Denn was gemeinhin mit Polarisierung gemeint ist, ist viel eher das Wegdriften der parlamentarischen Rechten in rechtsextreme und antidemokratische Gefilde. Deren Raubbau am Sozialstaat ging im letzten Jahr mit neuer Geschwindigkeit voran, Kettensägen allenthalben. Und was hilft nun dagegen?
Müssen wir, so wie wir es immer wieder lesen, die Polarisierung überwinden, wieder einen Schritt aufeinander zu machen? Im Gegenteil, haben wir 2025 gelernt!
Hoffnung hat sich im vergangenen Jahr nämlich immer dann eingestellt, wenn die Linke sich nicht konziliant gezeigt, sich nicht eingemittet und einen Schritt auf die Rechte zu gemacht, sondern dann, wenn sie sich konsequent links positioniert hat. Angefangen bei der Linkspartei im Deutschland, der zu Beginn des Jahres noch der Auszug aus dem Bundestag drohte. Das Ruder herumgerissen hat sie mit inhaltlicher Klarheit, linken Positionen, klarer Kante gegen rechts, kurz: mit einer Offensive. Unter den jungen Wähler:innen ist sie zur stärksten Partei geworden.
In New York ist derweil kürzlich der rechte Demokrat Andrew Cuomo spektakulär am Newcomer Zohran Mamdani gescheitert, der nicht davor zurückschreckte, mit klassenkämpferischen Parolen zu poltern. Währenddessen dürfen die Sozialdemokrat:innen in Dänemark nun zum ersten Mal seit über hundert Jahren nicht mehr die Bürgermeisterin von Kopenhagen stellen. Gewonnen haben die Kommunalwahlen stattdessen linke Parteien, die sich von der repressiven Migrationspolitik der dänischen Sozialdemokratie abgrenzen.
Links gewinnt. Auf der anderen Seite stehen die Linksliberalen, die sich in der Mitte oder gleich ganz rechts anbiedern. Sie sind auch 2025 – wie schon in den Jahren zuvor – konsequent gescheitert. Das zeigt sich nicht nur in New York oder Dänemark; ein Scheitern der Mitte-Links-Politik zeichnet sich auch in Grossbritannien ab, wo die Starmer-Regierung mit ihrer Rückkehr zum «dritten Weg» und einer härteren Linie in der Migrationspolitik in den Umfragen abgestürzt ist. In Deutschland dümpelt die SPD recht stabil bei gerade einmal vierzehn Prozent herum, in ähnlichen Gefilden wie jenen, in denen auch die einstigen sozialdemokratischen Volksparteien in Frankreich und Italien verweilen.
Und in der Schweiz? Die SP und die Grünen halten sich erfreulich gut. Nicht nur im Hinblick auf Wähler:innenanteile, sondern auch inhaltlich, was viel miteinander zu tun haben dürfte: Die Schweizer Sozialdemokratie ist links geblieben, und das zahlt sich aus.
Von der vermeintlichen Gefahr, die von der Polarisierung ausgeht, soll man sich also nicht beirren lassen. Es ist die Rechte, von der erhebliche Gefahr für die Demokratie, unsere Gesellschaft und vor allem das gute Leben ausgeht. Sie wird wohl noch weiter nach rechts rücken. Sofern die parlamentarische Linke nicht mitzieht, im besten Fall also, werden entsprechend auch die politischen Pole weiter auseinanderdriften. Um der grössten politischen Gefahr der Gegenwart entgegenzuwirken, ist das unabdingbar.