Afghanistan: Kriegsverbrecher ins Kabinett?
Die AfghanInnen haben gewählt, und Präsident Hamid Karsais Sieg gilt als sicher. Das offizielle Wahlergebnis wird erst am 30. Oktober bekannt gegeben. Doch hinter den Kulissen wird bereits um die Kabinettsposten geschachert. Gute Chancen haben die ehemaligen Mudschahedin, die Karsai bereits in die Übergangsregierung eingebunden hatte. Nun aber ist Ende letzter Woche ein Bericht veröffentlicht worden, der Kriegsverbrechen in Afghanistan zwischen 1978 und 2001 untersucht. Er nennt hochrangige Politiker, die sich um Sitze im Kabinett bewerben, so etwa Mohammad Kasim Fahim, der bisherige Vizepräsident und Verteidigungsminister, und Karim Chalili, Karsais Vizepräsidentschaftskandidat. Herausgeber des Berichts ist das Afghanistan Justice Project, ein Zusammenschluss afghanischer und internationaler ForscherInnen und JuristInnen, die seit Taliban-Zeiten diese Fälle untersuchen und dokumentieren. Aus gutem Grund nennen sie ihre Namen nicht, mit einer Ausnahme: Patricia Gossman, eine unabhängige Beraterin, die früher mit Human Rights Watch kooperierte.
Fahim ist gleich in mehrere dokumentierte Kriegsverbrechen involviert. Als Sicherheitschef der Mudschahedin-Fraktion Schura-je Nasar war Fahim für das Gefangenenlager Lejdeh im nördlichen Tochar verantwortlich. Dort wurden 1983 bis 1992 gegnerische Kämpfer, rivalisierende Kommandanten, Kriminelle und politische Gefangene «systematisch gefoltert». Fahim war ausserdem während des Massakers und der Massenvergewaltigungen im Kabuler Stadtteil Afschar im Februar 1993 in gleicher Funktion für «Spezialoperationen» verantwortlich. Karsais Vizepräsidentschaftskandidat Karim Chalili, damals Vizechef einer schiitischen Fraktion, wird vorgeworfen, 1992 bis 1995 in Kabul systematisch Gefangene und politische Gegner getötet zu haben. 1992 liess ein Kommandant Chalilis in Kabul neun Mitglieder einer Delegation hinrichten, die zwischen verschiedenen Fraktionen vermitteln wollten.