Anti-WEF-Demonstration in Davos: Triage jenseits von Gut und Böse

Die Polizei will am Weltwirtschaftsforum (Wef) in Davos die totale Kontrolle. Das Oltner Bündnis droht mit einer Blockade.

Nach der Krisensitzung vom 5. Dezember [2002] zwischen dem Oltner Bündnis – einem Zusammenschluss linker Organisationen, der die Anti-Wef-Demo vorbereitet – und den BehördenvertreterInnen haben sich die Fronten verhärtet. Inzwischen konnte zwar das Transportproblem für die DemonstrantInnen gelöst werden: Die SBB werden nun, anders als angekündigt, Sonderzüge zur Verfügung stellen. Hingegen will die Polizei den totalen Überblick haben und kündigte strengste Personenkontrollen an. Ein Gespräch mit Walter Angst vom Oltner Bündnis, der an den Verhandlungen dabei war.

WoZ: Warum will das Oltner Bündnis nicht mehr mit dem Bündner Regierungsrat verhandeln?
Walter Angst: Wir gehen davon aus, dass der Regierungsrat nicht mehr selber entscheiden kann und dass ein «Sicherheitsrat» das Ruder übernommen hat. Dieser setzt sich zusammen aus den Bündner und den Zürcher Kantonspolizeien, den Polizeibehörden des Bundes, der Armee und anderen Sicherheitsorganisationen.

Zum Eklat kam es, weil die Bündner Regierungsräte Klaus Huber (SVP) und Stefan Engler (CVP) darauf beharren, dass alle Demoteilnehmer kontrolliert werden sollen. Sie wollen so genannt «gewaltbereite» Teilnehmer und Teilnehmerinnen, nach ihren Angaben insgesamt fünf Prozent, ausfiltern und vom Rest trennen.

Wie muss man sich das vorstellen?
Züge, die von Landquart nach Davos fahren, sollen in Fideris angehalten werden. Dort müssen die Leute aussteigen und durch eine polizeiliche Schleuse gehen. Sie werden auf gefährliche Gegenstände abgetastet und – sofern sie jung und wild aussehen – wohl auch einer Personenkontrolle unterzogen. Personen, die auf der von der Polizei vorbereiteten Liste verzeichnet sind, sollen dann an der Weiterreise nach Davos gehindert werden.

Was passiert mit denen, die nicht nach Davos reisen dürfen?
Wir gehen davon aus, dass sie während der Demonstration inhaftiert werden. Entsprechende Vorstellungen sind im Arbenz-Bericht dargelegt. Wir rechnen damit, dass mehrere dutzend bis mehrere hundert Personen davon betroffen sein werden.

Wer waren denn Ihre Verhandlungspartner aufseiten der Polizei?
Anfangs waren es Vertreter der Bündner Kantonspolizei. Dann kam Peter Hirt, der Chef der Sicherheitspolizei des Kantons Zürich, dazu. Er stellt sich einen Einsatz vor wie bei einem Fussball- oder Eishockeystadion. Ein derartiges Vorgehen hat es bei einer Demonstration aber noch nie gegeben.

Wie widersetzen Sie sich diesem Konzept?
Wir wollen eine politische Diskussion darüber führen, was es heisst, Leute im Niemandsland aus dem Zug zu holen und zu selektieren. Wir hoffen, dass eine Welle der Solidarität entsteht, die dieses Dispositiv zu Fall bringt. Falls es bis zum 25. Januar nicht zu einer Einigung kommt, sind wir bereit, die von der Polizei eingerichteten Schleusen zu blockieren.

Kommen Sie noch nach Davos, wenn Sie die Schleusen blockieren?
Darum kämpfen wir – und setzen darauf, dass wir mit einer Blockade die Polizei dazu bringen, die DemoteilnehmerInnen ohne Kontrolle durchzulassen. Dazu kommt aber noch, dass die Demonstration in Davos zwar bewilligt ist, doch ist nicht klar, ob Polizei und Armee auch Demonstranten zulassen werden. Klar ist nur: Die Leute, die mit den Sonderzügen nach Landquart kommen, werden sich eine derartige Behandlung nicht gefallen lassen.

Sie können kein Interesse daran haben, dass die Situation vor Ort eskaliert. Was machen Sie dagegen?
Wir waren uns in der Vorbereitung immer einig, dass Davos nicht der Ort sein kann, um eine Konfrontation mit der Polizei zu suchen. Neben den Einwohnern und Gästen sowie den dort tagenden Global Leaders wird ein riesiges Polizeiaufgebot vor Ort sein – und auf den Dächern der Hotels werden Scharfschützen stehen. Eine Konfrontation kann fatale Folgen haben. Zumal wir davon ausgehen, dass die Sicherheitsbehörden voll auf Konfrontationskurs gehen, ähnlich wie die Regierung Berlusconi 2001 in Genua. Sie setzen auf Eskalation, um ihr gigantisches Sicherheitsdispositiv zu rechtfertigen. Wir sind uns einig, dass wir nicht in ihre Falle geraten dürfen.
Wir wollen keinen Kleinkrieg mit der Polizei, wir wollen den Global Leaders in Davos den sozialen Raum streitig machen.

Sie sprechen weiterhin mit den Davoser Behörden. Was heisst das?
Es geht um konkrete Lösungen für anstehende Probleme. Im Januar eine Demo auf 1600 Meter über Meer zu organisieren, das ist kein Pappenstiel. Es braucht Busparkplätze, Verpflegungsstände, Klos, Bühne, Strom. Ich gehe davon aus, dass auch der Kleine Landrat von Davos kein Interesse daran hat, dass der Polizeiapparat ausser Rand und Band gerät.

Wie ist denn das Verhältnis zu den Davoser Behörden?
Es hat sich sehr verändert, sie sind viel kooperativer. Das Bunkerklima, das vor zwei Jahren noch herrschte, ist inzwischen aufgebrochen. Das hängt sicher damit zusammen, dass es in Davos selber ganz unterschiedliche Interessen gibt, die wahrgenommen werden wollen. Es gibt einerseits diejenigen, die von den Fünfstern-Hotels und dem Kongresstourismus leben, andererseits diejenigen, die sich auf den gewöhnlichen Skitourismus ausrichten. Die Sympathien sind geteilt, man steht uns nicht mehr nur ablehnend gegenüber.

Vor zwei Wochen noch hiess es, die SBB wollten keine Sonderzüge nach Landquart bereitstellen. Hat sich an ihrer Haltung etwas geändert?
Inzwischen sind die SBB bereit, uns Sonderzüge zur Verfügung zu stellen. Allerdings sind wir uns über die finanziellen Konditionen noch nicht einig. Das sind aber Probleme, die lösbar sind.

Man hört, dass die lokale Bevölkerung von den Demonstrierenden getrennt werden soll.
In der Tat sehen die Behörden vor, dass die einheimische Bevölkerung bis Chur reisen muss, um von dort aus mit Bussen ins Prättigau zu fahren. Eine derartige Separierung ist eine Provokation.

Die Vorbereitungen laufen, die Karten liegen auf dem Tisch. Gehen Sie davon aus, dass die Bündner Regierung sich aus eigenem Antrieb vor dem 25. Januar nochmals bei Ihnen meldet?
Ich hoffe schon. Wenn sie allerdings auf ihrem jetzigen Kurs bleibt, werden wir uns mit Aktionen des zivilen Ungehorsams und mit Blockaden gegen das Bürgerkriegsszenario zur Wehr setzen.