Wetten auf den Seuchentod
Die «Partnerschaft mit Afrika» ist einer der Schwerpunkte, den die deutsche Präsidentschaft für den diesjährigen Gipfel der G20 festgelegt hat. Weshalb es mehr als berechtigt ist, gegen den Gipfel der Industriestaaten und die dort zu erwartenden politischen Rezepte für Afrika zu protestieren, lässt sich beispielhaft an der sogenannten Pandemic Emergency Financing Facility zeigen. Diese «Finanzierungsdienstleistung» wurde vor wenigen Tagen von der Weltbank offiziell aufgelegt. Sie gilt als direktes Resultat des G7-Gipfels 2015 auf Schloss Elmau. Auf der Website der internationalen Entwicklungsbank heisst es dazu stolz: «Weltbankgruppe startet bahnbrechende Finanzierungsfazilität zum Schutz der ärmsten Länder vor Pandemien.»
Hinter der kryptischen Bezeichnung versteckt sich eine nicht minder kryptische Finanzoperation, die das ganze Elend multinationaler «Governance» sichtbar macht. Hintergrund des Projekts war der Umstand, dass die internationale Staatengemeinschaft bei der Ebolaepidemie 2014 mehrere Monate benötigte, um Hilfsgelder zur Verfügung zu stellen. Um in Zukunft schneller handlungsfähig zu sein, hat die Weltbank nun sogenannte Cat-Bonds (Katastrophenanleihen) ausgegeben. Das bedeutet, dass private Investoren das Risiko eines Pandemieausbruchs (von Ebola sowie fünf weiterer Seuchen) absichern können, indem sie eine entsprechende Anleihe bei der Weltbank kaufen.
Ein bekanntes Geschäftsmodell
Anleihen für Katastrophenfälle sind im Finanzbusiness nichts Ungewöhnliches. Versicherungskonzerne lagern auf diese Weise schon lange einen Teil ihrer Risiken aus. Da sie im Fall eines Erdbebens oder Unwetters oft auf einen Schlag Hunderttausende von HausbesitzerInnen entschädigen müssen, verkaufen die Versicherungskonzerne Anleihen auf den Finanzmärkten. Die Investoren erhalten für diese Anleihen Prämien von der Versicherung, umgekehrt verfügt diese dank des Anleihenverkaufs über zusätzliche Mittel für den Katastrophenfall.
Dieses Geschäftsmodell will die Weltbank nun auch bei Ebola verwenden. Stellvertretend für die reichen Industriestaaten haben Deutschland und Japan den Kapitalgrundstock für die Pandemic Emergency Financing Facility zur Verfügung gestellt. Konkret bedeutet das: Die einzahlenden Staaten überweisen aus ihren Entwicklungshilfe- oder Gesundheitsbudgets Prämien an private FinanzinvestorInnen. Dafür stellen diese Gelder zur Verfügung, die als Versicherungsrücklage für den Seuchenfall dienen.
Fanatische Logik
In der finanzmarktfanatischen Logik der G20-Staaten stellt das eine Win-win-Lösung dar: Die Betroffenen können im Seuchenfall schneller versorgt werden, die internationale Staatengemeinschaft teilt sich das Risiko mit Privatinvestoren – und für die Finanzmärkte, die bekanntlich immer auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten sind, sind die Ebolaanleihen eine Möglichkeit, mit dem Nichtausbruch der Krankheit Geld zu verdienen. Trotzdem ist das ganze Unterfangen völlig irrsinnig. Nicht nur, weil es Seuchen zum Geschäftsgegenstand macht und es nur eine Frage der Zeit ist, bis auf den Finanzmärkten jemand auf den umgekehrten Fall, nämlich den Ausbruch von Ebola, wettet. Verrückt ist das Weltbank-Projekt auch deshalb, weil es weitere öffentliche Mittel in den Schlund der sowieso völlig überhitzten Finanzmärkte wirft.
Denn die Investoren engagieren sich nicht uneigennützig. Sie wissen, dass sie langfristig durch die Prämien mehr verdienen, als sie im Fall eines Seuchenausbruchs verlieren würden. Damit stellt sich auch die Frage: Warum hält die internationale Staatengemeinschaft die für den Katastrophenfall notwendigen Mittel eigentlich nicht selbst bereit?
Eine ausführliche Version dieses Artikels lesen Sie in der WOZ-Ausgabe vom 6. Juli 2017.