Sanktionen von unten
Lieferketten unterbrechen und Infrastruktur blockieren: Auch im Krieg des russischen Regimes gegen die Ukraine kommt Arbeiter:innen eine potenziell grosse Macht zu.
«Belarus ist ein Land der Partisanen»: So kommentierte am Montag ein hochrangiger Berater der Minsker Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja einen Akt zivilen Widerstands seiner Landsleute. Auf Twitter veröffentlichte er eine Karte mit diversen Bahnhöfen und Busstationen im ganzen Land, an denen in den letzten Wochen russische Züge sabotiert und gestoppt, russisches Militärgerät zerstört oder Flyer gegen die Invasion verteilt wurden.
Der Chef der ukrainischen Bahngesellschaft hatte zuvor gegenüber dem unabhängigen russischsprachigen TV-Sender «Current Time» mitgeteilt, dass belarusische Bahnarbeiter die Schienenverbindung ins Nachbarland gekappt hätten, um den Nachschub und die Verstärkung für den Krieg zu erschweren. Von unabhängiger Seite liessen sich die Vorgänge zunächst nicht bestätigen.
Solidarisch mit der Ukraine
Auch in den Häfen der Welt – dem wichtigsten Scharnier des globalen Kapitalismus – leisteten Arbeiter:innen Widerstand gegen den russischen Angriffskrieg gegen das Nachbarland. Von Grossbritannien bis Australien, in den USA, Neuseeland und Kanada riefen die Gewerkschaften zur Blockade russischer Schiffe auf. Mehrere westliche Staaten verboten russischen Fracht- und Fischereidampfern, ihre Häfen anzulaufen. «Arbeiter auf der ganzen Welt, darunter auch Tausende Hafenarbeiter, stellen sich gegen die russische Invasion und solidarisieren sich mit den Menschen in der Ukraine», teilte der Präsident der Internationalen Transportarbeiterföderation (ITF) mit.
Im britischen Kent weigerten sich Hafenarbeiter Anfang März, ein Schiff mit russischem Flüssiggas zu entladen – und erreichten so, dass es auf einen anderen Hafen ausweichen musste, wie unter anderem der «Guardian» berichtete. Und in Kalifornien stellten sich 20 000 Personen laut lokalen Medienberichten gegen die Annahme von Fracht aus Russland.
Am Flughafen von Pisa wollten Arbeiter vergangene Woche derweil nicht Waffen und Munition laden, die für die Ukraine bestimmt sind. «Wir glauben nicht, dass Waffenlieferungen die Situation lösen, stattdessen riskieren wir einen dritten Weltkrieg», liess sich ein Vertreter des Basisgewerkschaftsbunds USB zitieren. Die Arbeiter hätten sich auch dagegen gewehrt, dass solch gefährliche Güter über einen zivilen Flughafen transportiert würden.
Eine lange Tradition
Die Praxis des «Schiffeverfolgens» hat eine lange Tradition. Schon vor mehr als hundert Jahren hatten sich britische Hafenarbeiter dagegen gewehrt, Waffen für den Bürgerkrieg in der Sowjetunion zu verschiffen. Später boykottierten die Beschäftigten Lieferungen nach Japan und ins faschistische Italien, nach Indochina oder in Pinochets Chile.
Mit dieser Widerstandsform Berühmtheit erlangt hat das autonome Genueser Hafenarbeiterkollektiv Calp, das gemeinsam mit italienischen Basisgewerkschaften seit mehreren Jahren Waffenlieferungen in Kriegsländer bestreikt und über das die WOZ letzten Herbst ausführlich berichtete. Ihr nächster Streik gegen ein Schiff der staatlichen saudi-arabischen Firma Bahri ist für kommende Woche geplant, wie das Kollektiv dieser Tage in den sozialen Medien mitteilte.