Der WOZ-Blog zum Ukrainekrieg

«Es geht nicht um den Marder»

Die Schweiz blockiert angeblich den Export deutscher Panzer in die Ukraine. Doch man sollte die hiesige Rüstungsindustrie nicht überschätzen.

Am Wochenende hat die Debatte über die Rüstungsexporte auch die Schweiz erreicht. Im Zentrum steht die Frage, ob das Land mit seiner Weigerung, Munition nach Deutschland zu liefern, wiederum Exporte von Deutschland in die Ukraine verhindert. Wer die Frage beantworten will, merkt allerdings schnell: Innert wenigen Tagen kam es zu zahlreichen medialen Fehlschlüssen und politischer Empörungsbewirtschaftung, die weder die Medien noch die Politik besonders gut aussehen lassen. Doch von vorne.

Am Donnerstag behauptete die deutsche Grüne Marieluise Beck in der Talkshow «Markus Lanz», Deutschland könne keine Radpanzer des Typs Marder der Firma Rheinmetall in die Ukraine liefern, weil die Schweiz die Ausfuhr von Munition nicht bewillige. «Die Schweiz ist nicht bereit, diese Munition zu verkaufen, weil sie ihre Banken freihalten wollen für das russische Geld», sagte Beck. Die Ableger von Rheinmetall in der Schweiz sind in der Tat auf die Produktion von Munition spezialisiert, wie der WOZ-Rüstungsreport wiederholt thematisierte.

Die deutsche Entscheidung

Die Lieferung der Marder ist in Deutschland nicht irgendein Geschäft. An diesem Beispiel wird sich entscheiden, ob die deutsche Regierung schwere Angriffswaffen in die Ukraine schickt. Schon seit Wochen wird diskutiert, ob die Firma Rheinmetall hundert Panzer dieses Typs in die Ukraine exportieren soll. Diese befinden sich im Bestand der Bundeswehr, werden aber derzeit nachgerüstet und durch den Nachfolger Puma ersetzt.

Nach der Talkshow nahm das Gerücht seinen Lauf. Die «SonntagsZeitung» ging Marieluise Becks Aussage nach und zitierte das Seco, wonach man zwei Gesuche aus Deutschland abgelehnt habe, bei denen es um die Weitergabe von Waffen an die Ukraine ging. Ob dabei der Marder gemeint war, wollte das Staatssekretariat allerdings nicht bestätigen, weil Einzelbewilligungen nicht publik gemacht werden. Spätestens die Bildlegende des Berichts brachte zusammen, was der Artikel zwar nicht belegte, aber insinuierte: «Zu wenig Munition: Die Marder werden bis auf weiteres nur in Deutschland verschoben.»

Spin um Spin

Für CH-Media war daraufhin eine Lieferung für den Marder Fakt. Die Tamedia wiederum nahm einen Tweet von Gerhard Pfister, der dem Bundesrat wegen der nicht bewilligten Munitionsexporte unterlassene Hilfeleistung vorwarf, zum Anlass, die Positionierung der Mitte-Partei bei Waffenexporten zu hinterfragen. Diese hätte mitgeholfen, das Kriegsmaterialgesetz zu verschärfen, wonach Waffen nicht in Länder exportiert werden dürften, die in interne oder internationale Konflikte verwickelt seien. Genüsslich nahm man bei SVP und FDP einen angeblichen Gesinnungswandel Pfisters zur Kenntnis. Auch wenn es die Lieferung von Kriegsmaterial an Kriegsparteien in internationalen Konflikte schon lange verboten sind und es bei der Gesetzesänderung lediglich um die Exporte in Bürgerkriegsländer ging.

Inzwischen haben auch internationale Medien die Story der «SonntagsZeitung» zum Marder aufgenommen. Dabei schafft ein Anruf beim Seco Klärung. Bei den beiden Gesuchen ging es zwar um Munition. «Wir können aber bestätigen, dass es bei den abgelehnten Gesuchen nicht um Munition für die Marder-Panzer ging», sagt Seco-Mediensprecher Fabian Maienfisch der WOZ.

Was zum Ziel führt

Damit ist zwar nicht die grundsätzliche Frage beantwortet, ob die Schweiz als neutraler Staat Waffen an die Ukraine liefern soll oder nicht. Festhalten lässt sich aber: Die deutsche Diskussion über die Marder betrifft die Schweiz nicht. Die Schweizer Rüstungsexportkontrolle hat in diesem Fall funktioniert. Wer sie ändern will, muss die Gesetze anpassen.

Vielleicht liesse sich die ganze Waffendiskussion sowieso besser etwas weniger hysterisch angehen. Wie unlängst eine Seco-Studie zeigte, macht der Anteil der Rüstungsindustrie gerade einmal 0,18 Prozent an der Bruttowertschöpfung der Schweiz aus. Ausser Munition hat sie wenig zu bieten.

Andere Bereiche zur Unterstützung der Ukraine – diplomatische Vermittlung, humanitäre Hilfe oder die Suche nach russischen Oligarchengeldern – sind höchstwahrscheinlich zielführender.