Kommentar zu Schweizer Rüstungsexporten: Marder und Geparde

Nr. 17 –

Das Beispiel von Panzermunition zeigt: Die Schweiz hilft der Ukraine besser anders als mit Rüstungsexporten.

Blockiert die Schweiz die Ausfuhr von deutschen Marder-Panzern in die Ukraine? Diese Frage stand im Raum, nachdem die Grünen-Politikerin Marieluise Beck in der Talkshow «Markus Lanz» behauptet hatte, die Schweiz lehne die Ausfuhr von Munition für den Schützenpanzer ab. Dabei handelt es sich um eine klassische Frage der Exportkontrolle von Rüstungsgütern. Nach dem Gesetz kann die Schweiz zwar Munition nach Deutschland liefern – diese darf aber von dort nicht an Staaten weitergegeben werden, die an einem internationalen Krieg beteiligt sind.

Die «SonntagsZeitung» kolportierte das Gerücht, und in nationalen wie internationalen Medien wurde es zum Fakt: Die Schweiz blockiert die Marder-Ausfuhr, über die Deutschland seit Wochen streitet. Tatsächlich hatte Deutschland beim Seco, das Rüstungsexporte bewilligen muss, zwei Gesuche um Wiederausfuhr von Waffen gestellt. Wie die WOZ am Montag im Ukraine-Blog publik machte, betreffen diese aber nicht den Marder. Tags darauf doppelte die SRF-«Rundschau» nach: Es ging bei den Gesuchen um Munition für den Gepard-Panzer sowie für Maschinengewehre. Trotz der negativen Antwort hat Deutschland am Dienstag beschlossen, ausgemusterte Geparde in die Ukraine zu liefern: Offensichtlich verfügt die Bundeswehr auch über Munition, deren Export nicht von der Schweiz bewilligt werden muss.

Mit der Frage nach der Panzermunition ist die Diskussion über den Export von Waffen in die Ukraine definitiv auch in der Schweiz angekommen. Einmal mehr zeigt sich: Beim Philosophieren über Grundsätze des Rüstungsexports endet man bei der einzelnen Schraube. Wer stellt sie her? Wie kann sie verwendet werden? Wohin wird sie geliefert? Dass es dabei in der Schweiz häufig um Munition geht, überrascht nicht. Die Schweizer Rüstungsindustrie ist eine veritable Munitionsfabrik, wie mehrere Standorte der deutschen Rheinmetall zeigen. Der Rüstungskonzern hat auch Teile der früheren Oerlikon-Bührle übernommen, die in den 1970er Jahren die 35-Millimeter-Kanone für den Gepard entwickelt hatte.

Dass die Behörden die Ausfuhr von Munition nach Deutschland nicht bewilligt haben, ist nach den heute geltenden Gesetzen richtig. Ausgehend vom Haager Abkommen von 1907 gehört es zum Schweizer Verständnis der Neutralität, keine Waffen an kriegführende Staaten zu liefern. Um doch im Geschäft mitzumischen, torpediert die Rüstungslobby die Gesetze regelmässig: etwa mit der Kategorie der besonderen militärischen Güter, die allein für den Flugzeughersteller Pilatus geschaffen wurde, oder zuletzt mit dem gescheiterten Versuch, Waffen in Bürgerkriegsländer liefern zu dürfen.

Angesichts eines Kriegs, in dem sich ein demokratischer Staat gegen den Angriff einer Diktatur wehrt, ist es nachvollziehbar, dass diese Grundsätze nun diskutiert werden. Putin kann fürs Erste nur auf dem Schlachtfeld gestoppt werden, und dafür benötigen die Ukrainer:innen Waffen. Gleichzeitig wird ein einfacher Zugang zu Waffen die Gesellschaft auch lange nach dem Krieg destabilisieren und zu einem männlich geprägten Gewaltkult beitragen.

Letztlich stellt sich die Frage, ob Waffenexporte angebracht sind, von Staat zu Staat unterschiedlich. Praktisch betrachtet, werden Lieferungen aus der Schweiz militärisch kaum den Unterschied machen: Wie unlängst eine Seco-Studie zeigte, macht der Anteil der Rüstungsindustrie hier nur 0,18 Prozent an der Bruttowertschöpfung aus. Vielmehr würde die Schweiz mit Exporten in einen Krieg ihre bestehenden Gesetze verletzen und die Neutralität infrage stellen, ob man diese nun für einen politischen Glaubenssatz hält oder bloss für eine Ausrede für das eigene Geschäftsmodell. Eine Rolle als Friedensvermittlerin wäre künftig vermutlich ausgeschlossen.

Die Schweiz hilft der Ukraine deshalb besser nicht im Export-, sondern im Importgeschäft – und sucht mit aller Dringlichkeit nach den Geldern russischer Oligarchen und Beamtinnen, die den russischen Mafiastaat stützen. Was wurde eigentlich aus der Forderung nach einer Taskforce?

Siehe dazu auch die WOZ-Rechercheplattform www.ruestungsreport.ch.