22.00: Alles so erfolgreich hier

In Scharen kommen die Grünen gegen halb sechs ins Zürcher Cabaret Voltaire, um zu feiern. Am Buffet gibt es Suppe und Brot, Käse und Früchte. Man sammelt sich vor der Grossleinwand: Gerade kommen neue Hochrechnungen aus mehreren Kantonen, und Jubel bricht immer dann aus, wenn wieder ein grüner Sitzgewinn verkündet wird. Und auch, wenn irgendwo die SP gewonnen hat – oder die SVP verloren.
Fast auffallend still bleibt es hingegen, wenn Sitzgewinne der GLP vermeldet werden. Die beiden Parteien mit dem «Grün» im Namen haben im Kanton Zürich jeweils drei zusätzliche Nationalratssitze zu begiessen: «Historisch» sei dieses Resultat, betont Nationalrat Bastien Girod mit Nachdruck. Wohl in der Hoffnung, dass der grüne Höhenflug diesmal von Dauer ist. «Ich glaube, dass vor allem die Mobilisierung der Jungen dazu geführt hat», so der Ökopolitiker. Ein Blick in den Saal bestätigt seinen Eindruck: Auffallend viele jüngere BesucherInnen sind da, auf ihren Gesichtern ein seliges Lächeln.
Lange sah es so aus, als wäre der Wahlausgang in Zürich aus linker Sicht eine Art Nullsummenspiel: Die SP drohte drei Sitze zu verlieren, am Schluss waren es deren zwei. Ein bitteres Resultat für die SozialdemokratInnen. Da ist die Bestätigung von Ständerat Daniel Jositsch (SP) im ersten Wahlgang allerhöchstens ein Trostpflaster. Girod pflichtet bei: «Natürlich wäre es besser, wenn wir sozialpolitisch insgesamt einen linken Zuwachs gehabt hätten.» Aber in der Mitte würden die Grünliberalen in manchen Fragen nicht nur rechts politisieren, «und die Grünen sind ja mindestens so sozial wie die SP, also ist da nichts verloren».
Zürich ist auch die Wiege der Grünliberalen. Im Kanton hat die Partei praktisch die gleiche WählerInnenstärke wie die Grünen, von denen sie sich vor fünfzehn Jahren abspaltete, aber weiterhin einen Nationalratssitz mehr. Den Puls der Stadt wähnt die GLP offenbar im Hive Club, zwischen Viadukt und Gleisen, wo sie ihre Wahlfeier schmeisst. Draussen machen die Junggrünliberalen unter den Augen von Libera Laura Zimmermann ein Gruppenfoto. Es scheint, dass sich das eingemittete Chancenland Schweiz hier eingefunden hat. Im oberen Stock herrscht bei gedimmtem farbigem Licht beschwingte Partystimmung. Nur vorübergehend ist das Budget für die Bar aufgebraucht, die Getränke gibt es bald wieder gratis. Laut dröhnt Achtzigermusik aus den Boxen.
Bis sie abrupt verstummt: Die Schlussresultate sind da. Tosenden Applaus gibt es bei SVP-, leiseren bei FDP-Verlusten. Die siebzehn Sitzgewinne der Grünen werden ebenfalls laut bejubelt. Als in Bern später die FraktionspräsidentInnen auftreten, spinnt der Fernseher. Nach dem dritten Neustart ist die Geduld des DJs am Ende; das Bild stockt, während gerade der Grüne Balthasar Glättli spricht. Drum spielt er Michael Jackson. Die Party kann weitergehen.
Man sitze im Nationalrat mittlerweile «da, wo vorher FDP-Leute sassen», sagt GLP-Gründer und -Vizepräsident Martin Bäumle bei einer Ansprache. Da also, wo man sich schon immer gesehen habe: als Zünglein an der Waage, sowohl bei ökologischen wie auch bei wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen. Dass sich diese Fragen zuweilen in die Quere kommen, bleibt heute Abend unerwähnt; wie die GLP die Quadratur des Kreises dann tatsächlich schaffen will, darf sie gerne beweisen, sobald sie wieder ausgenüchtert ist.