WOZ-Abstimmungsblog

Das war erst der Auftakt

Illustration: Ruedi Widmer

Trotz der Ablehnung der 99-Prozent-Initiative beginnt die Auseinandersetzung um die Ungleichheit erst. Die Chancen stehen gut, dass die geplanten Steuergeschenke für Vermögende scheitern werden.

Nach dem Nein zur 99-Prozent-Initiative ist eines so gut wie sicher: Die Vermögensungleichheit wird in der Schweiz weiter zunehmen. Zwischen 2003 und 2017 ist der Anteil, den das reichste Prozent in der Schweiz besitzt, gemäss Zahlen der Uni St. Gallen von 36 auf 43 Prozent gestiegen. Geht es in diesem Tempo weiter, werden wird Ende dieses Jahrzehnts bei rund 50 Prozent angelangt sein.

Und das Tempo könnte sich gar noch beschleunigen: Mit der Abschaffung der Stempelabgabe, der Industriezölle, des Eigenmietwerts und der Verrechnungssteuer treibt das Parlament derzeit zahlreiche Steuersenkungen voran, von denen vor allem jene mit den vollen Aktiendepots profitieren werden.

Doch trotz des Neins, Kapitaleinkommen höher zu besteuern, ist das Thema nicht vom Tisch. In der GfS-Umfrage von Anfang August waren noch mehr Befragte für die Initiative als dagegen. Und dies, obwohl das Anliegen von den JungsozialistInnen (Juso) kam, zu denen in der gutbürgerlichen Schweiz selbst einige Linke vornehm Distanz halten.

Ein Grossteil der Bevölkerung sieht die Ungleichheit durchaus als Problem. Obwohl selbst ausländische TopökonomInnen wie Thomas Piketty das Anliegen unterstützten, schafften es Wirtschaftsverbände und bürgerliche Parteien bis zum Abstimmungssonntag, genug ihrer AnhängerInnen umzustimmen.

Statt mit offenem Visier auf ethische Fragen oder auf die drohende Immobilienblase einzugehen, die viele ÖkonomInnen auf die Ungleichheit zurückführen, streuten sie wie so oft Angst. Etwa davor, dass auch KMU höhere Steuern zahlen müssten. Obwohl auch sie bestens wissen, dass das Parlament — in dem sie die Mehrheit stellen — locker hätte dafür sorgen können, dass nur die Reichsten betroffen wären.

Viel Einfluss hatte dabei die SVP: Sie vereinigt rund ein Viertel der WählerInnen mit den tiefsten Einkommen auf sich, die der Initiative besonders gut gesinnt waren. Trotzdem gaben gemäss den Umfragen 81 Prozent der SVP-WählerInnen an, Nein zu stimmen. Fast alle gegen die eigenen Interessen.

Während die Stimmberechtigten von Initiativen leicht abzubringen sind, wird es für die bürgerlichen Parteien schwierig sein, ihre neuen Steuersenkungen — durch die Ausfälle von rund 2,7 Milliarden Franken drohen — an der Bevölkerung vorbeizubringen. Dies zeigt nicht zuletzt das wuchtige Nein zur Unternehmenssteuerreform III im Jahr 2017 oder die Versenkung der Kinderabzüge 2020. Grüne und SP haben gegen die Abschaffung der Stempelabgabe bereits das Referendum ergriffen.